[Search]Suche [Recent Topics]Neueste Themen [Hottest Topics]Hottest Topics [Members]Mitgliederliste [Groups]Zurück zur Startseite [Moderation Log]Moderation Log [Register]Registrieren [Login]Anmelden

Treffpunkt Konjugation

Das Forum für die deutsche Sprache

Index » Sonstiges » Die Inkonsequenz der neuen Deutschen Rechtschreibung
Autor Beitrag
California

Normal

Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02
Beiträge: 100
Offline

Hallo Zusammen,

es gibt viele Kritikpunkte bezüglich der Rechtschreibereform. Und vorhin ist mir noch ein weiterer eingefallen, als ich einige Forenbeiträge gelesen hatte, die von dem Wort "Frisör" handelten. Heutzutage kann man beides schreiben. Nämlich "Friseur" und "Frisör". Jedenfalls beschwert sich nicht mein Rechtschreibeprogramm meines Computers. Aber wie verhält es sich mit dem Wort "Fritteuse"? Warum heißt es nicht "Frittöse"? (Meines Wissens liegt die einzige Veränderung nur in einem zweiten "t".) Eigentlich müsste man konsequenterweise auch "Frittöse" schreiben, denn wenn die Schreibweise „Frisör“ eingedeutscht wurde, so müsste das auch für die Fritteuse gelten. Tut es aber nicht. Wer kennt noch mehr Beispiele?

Liebe Grüße
Dailaya

Normal

Beigetreten: 15/02/2011 16:12:20
Beiträge: 81
Offline

Hi California

Ja, dass stimmt. Aber ich denke man macht sich über einzelne Wörter oder besser ausgedrückt, die Leute, die die neue Rechtsschreibreform eingeführt haben, haben sich nicht mit einzelnen Wörtern beschäftigt, sondern die Gesamtheit gesehen. Aber was mir dazu gerade einfällt ist, dass die neue Rechtsschreibreform falsch oder nur bedingt richtig angewandt wird. Z. B. lese ich so häufig in Geschäftsbriefen "Strasse". Straße wird immer noch mit einem scharfen "s" geschrieben. Keiner weiß, dass Wörter, die ein Vokal vor dem "ß" haben, dass das "ß" bleibt und nicht geändert wird. Sprich mal Straße mit ss aus. Hört sich voll bescheuert an. Aber zurück zu deinem Beitrag. So auf die schnelle fällt mir kein anderes Beispiel ein, aber ich denk drüber nach und schreib dir dann.

Alles Liebe
[Email]
Wortraum

Normal

Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
Offline

Widersprüchlichkeiten gibt es zahlreiche in der deutschen Sprache, so wie sie es in jeder natürlichen Sprache gibt, und je älter eine Sprache wird, desto widersprüchlicher und komplizierter wird sie. Die Deutsche Lautverschiebung in der Schriftsprache führte zum Beispiel zu zahlreichen verschiedenen Möglichkeiten, die Laute mit Buchstaben aufzuschreiben, zum einen, weil jeder Schreiber in verschiedenen Regionen ganz eigene Regeln dafür ersann, zum anderen, weil die Schriftsprache stabiler ist und es Jahre, Jahrzehnte dauern kann, bis sie Änderungen zuläßt, die bis dahin längst schon erneut geändert sein können.

Das eigentliche Problem der Staatsschreibung und auch der Regelwerke der letzten Jahrzehnte ist aber die Starrheit, fester Zement, der sanftes Formen, Drücken, Zerren nicht zuläßt, der keinerlei Möglichkeit hat, sich zu bewegen. Die Regelwerke der letzten beiden Jahrzehnte verschärfte dies enorm: jede Regel wurde auf die Goldwaage gelegt; das Gefühl für die Sprache wurde zerstört, stattdessen diskutierte man über die nichtigsten Nichtigkeiten; es ging nicht um Verstand, um Sinn, um Struktur, sondern die Sprache wurde mit Logik angegangen, sollte mit Gewalt vereinheitlicht werden, und zwar von Leuten, die keinerlei Ahnung von dieser Sprache hatten, sei es, weil sie tatsächlich unwissend, in manchen Fällen unfähig waren, sei es, weil die Struktur der Sprache nicht erforscht oder von der Linguistik unbekannt oder unverstanden war. Man stritt über falsche Regeln und falsche Annahmen, über Stumpfsinn und Sturrheit, verlor das Große und Ganze aus dem Auge und kämpfte um einzelne Wörter, um Ausnahmen. Voller Eifer wurde ohne Zuständigkeit geändert, man nahm bei roh ein h weg, fügte bei Tipp ein p hinzu und rechtfertigte mit diesem Aktionismus die nicht zu rechtfertigende Existenz des „Reform“-Grüppchens. Die zweite Reform der Staatsschreibung brach man nach der Hälfte ab – und sie wurde halb ausgegoren, nie vollendet und in Trümmern veröffentlicht.

Der Duden brachte das Rechtschreibwörterbuch heraus, das sich nicht an die Staatsschreibung hielt, dies aber vorgab; die Verlage verwendeten Hausorthographien, die Fehler in den Büchern und Zeitungen nahmen zu, der Duden, der Wahrig, das amtliche Regelwerk widersprachen sich. Wonach sich alle sehnten, war Klarheit, und diese allgegenwärtige Sehnsucht führte zu noch mehr starren Regeln, noch mehr vorschreibenden Berichten; was früher Empfehlung war, wurde zum Gesetz erhoben.

Das Ergebnis ist, daß nicht mehr die Sprache die Regeln vorgibt, sondern umgekehrt die Regeln die Sprache. Dabei ist es natürlich und sinnvoll, natürlich und sinnvoll zu schreiben, und wenn die Friteuse den eindeutschenden Wandel zur Frittöse vollzieht, dann ist es so. Es gibt da nichts zu vorzuschreiben.

Ich plädiere hier keineswegs für Willkür, aber wenn ein Schüler Händi schreibt, dann ist er ganz und gar im Recht, das Wort ist einwandfrei eingedeutscht und exakt nach Laut-Buchstaben-Zuordnung geschrieben – und dann soll jemand sagen können, dies sei falsch? Warum nicht auf alles richtig gemachte hinweisen, ebenso aber auch darauf, daß die Schreibung nicht üblich ist? Nur, weil man etwas nicht als richtig anerkennen kann, muß es nicht falsch sein. Nur weil man mit einer Schreibung aneckt, muß sie nicht falsch sein.

Die Grenze zwischen richtig, gewöhnlich, möglich, ungewöhnlich, falsch ist an sich schon schwierig zu definieren, und sie ist es erst recht bei einer Sprache, die allzeit in Bewegung ist. Bevor man sagt, der Aal schwimme nach links, ist er längst nach rechts verschwunden.

Es gibt beschreibende Regeln, die da eben sagen, was richtig, da anerkannt ist; es gibt leider besonders bei der Staatsschreibung vorschreibende Regeln, die sagen, was richtig zu sein hat, auch wenn es als falsch gesehen wird. Über jeder Regel jedoch sollte Sinn und Verstand stehen. Zwischen dem Blick des Lehrers in den Duden und dem rot unterstrichenen Worte gehört meines Erachtens mindestens ein weiterer Schritt: das Nachdenken darüber, ob die Schreibung nicht Ausdruck natürlicher Anpassung, kreativer Geisteskraft oder folgerichtigen Verstandes ist.

Warum also nicht Frittöse schreiben? Bitte, wenn es gefällt, begründbar und in zahlreichen Sinnen richtig ist es allemal. Aber bitte auch daran denken, daß es noch unüblich ist und man damit anecken kann. Im Brief an die Freundin: das ist kein Problem. Im Schreiben an den Chef: das würde ich mir überlegen!

This message was edited 2 times. Last update was at 10/03/2011 23:16:41

 
Gehe zu:   
 

Impressum · Datenschutzerklärung · Einwilligungen