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Treffpunkt Konjugation
Das Forum für die deutsche Sprache
Autor | Beitrag | |
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California
Normal Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02 Beiträge: 100 Offline |
Hallo Zusammen,
ist es Dialekt, oder das Unvermögen, die deutsche Sprache richtig anzuwenden? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, wenn ich folgendes höre: "Ich tu essen". Einem Verb dieses "tu" vorzusetzen, klingt in meinen Ohren ganz schrecklich. Viele aber reden tatsächlich so. Ich versuche mich zurück zu halten, weil ich ja niemanden korrigieren möchte, aber ich wiederhole den Satz, nur richtig. Ich sage dann zum Beispiel: "aha, du isst", in der Hoffnung, dass derjenige dann merkt, dass mit seinem Satz etwas nicht stimmt. Ist das blöd von mir? Gerne würde ich wissen, wie genau dieser Fehler entstanden ist. Im Englischen wäre es mit einem verneinten Satz richtig (I don`t eat). Also, ich tue nicht essen. Wer weiß da Genaueres? Liebe Grüße |
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Wortraum
Normal Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25 Beiträge: 425 Offline |
Ich halte mich nicht zurück: es heißt zurückzuhalten. Tun wird häufig von Kindern verwendet, und es vereinfacht ja auch: statt die Beugung jedes Verbes zu lernen, muß man nur noch tun beugen und den Infinitiv anhängen: ich las – ich tue lesen ich esse – ich tue essen Auch Verbklammern fallen weg, die Satzstruktur wird einfacher: ich geht da nicht hoch – ich tue da nicht hochgehen Tun als Hilfsverb sollte man eher meiden – eher, nicht immer, denn es kann durchaus zur Betonung dienen, wenn der Infinitiv vorangestellt wird: „Essen tue ich das nicht!“ Meine Erfahrung mit so ewas ist, daß es den Leuten nicht auffällt. Einen solch dezenten Hinweis verstehen sie nicht, weil sie ihre Konstruktution seit ihrem Kindesalter als richtig ansehen und das alles automatisch und unbewußt abläuft. In einer Region hörte ich häufig das doppelte Plusquamperfekt („ich hatte das gesagt gehabt“), und eigentlich nahm ich an, meine Gegenüber bekämen etwas von den schmerzhaften Krämpfen, meiner Pein und den Tränen mit, wenigstens vielleicht etwas von den dezenten Hinweisen, aber das alles blieb Hoffnung. Vielleicht hätte ich mich auf dem Boden krümmen sollen? Da sich (angeblich) das doppelte Plusquamperfekt ausbreite, weise ich durchaus darauf hin, andererseits sollte man im Alltag das besser nicht verbessern, besonders nicht, wenn man in einem Bereich ist, wo das als richtig oder unauffällig angesehen wird. Sobald dann aber jemand kommt, seinen hochdeutschen Text korrigieren zu lassen, darf man zuschlagen tun. *g* This message was edited 2 times. Last update was at 25/04/2011 20:23:37 |
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California
Normal Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02 Beiträge: 100 Offline |
Hallo Wortraum,
schön, dass Du mich verbessert hast. Denn ich habe ein schönes Beispiel für das Getrennt-Schreiben gegeben. Zurückzuhalten ist natürlich richtig. So fit bin ich mit der neuen deutschen Rechtschreibung anscheinend doch nicht, denn manchmal weiß ich nicht mehr, wann was auseinander geschrieben wird und wann nicht. Aber dies nur am Rande... Meine zaghaften Korrekturen fallen tatsächlich nicht auf. Das wird, wie Du schon gesagt hast, damit zu tun haben, dass man es von Kindheit an so gesagt hat. Ich denke aber trotzdem, dass Kinder diese Sprache von ihren Eltern übernehmen. Vielleicht täusche ich mich damit ja, aber mein Sohn hat nie so gesprochen. Und ich natürlich auch nicht. Das Wörtchen "tu" ist eine Vereinfachung der Sprache. Aber Du hast ja Recht ... man sollte nicht zuviel herumkritteln - vor allem da, wo es als normal gilt. Da ich nicht Germanistik studiert habe, kenne ich natürlich einige Termini nicht, die Du verwendest. Was ist eine Werbklammer? Liebe Grüße |
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Wortraum
Normal Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25 Beiträge: 425 Offline |
Eine Verbklammer oder Satzklammer klammert einen Teil eines Satzes ein, was immer dann der Fall ist, wenn man ein mehrteiliges Prädikat hat. Zum Beispiel bei Modalverben: Ich möchte einen Apfel essen. Wir wollen nicht mehr laufen. Oder bei trennbaren Verben: Wir stehen nur ungerne so früh auf. (aufstehen) Kommt ihr denn nicht mit? (mitkommen) Die Verben lassen sich so weit auseinanderziehen, wie man möchte, Stilkunden empfehlen aber das Gegenteil: Wir geben das aber, was wir jedesmal sagen und euch auch schon schriftlich gaben, per E-Mail und per Post, nicht heraus. (herausgeben) Deswegen und weil Verben in einem deutschen Nebensatz am Ende kommen, sagte Mark Twain über die deutsche Sprache: „Wenn der Deutsche sich in einen Satz stürzt, sieht man nichts mehr von ihm, bis er auf der anderen Seite des Ozeans mit dem Verb zwischen den Zähnen wieder auftaucht.“ This message was edited 1 time. Last update was at 26/04/2011 13:00:47 |
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California
Normal Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02 Beiträge: 100 Offline |
Hallo Wortraum,
vielen Dank für Deine hilfreichen Belehrungen. Jetzt weiß ich, was eine Verbklammer ist. Dass sich die Verben so weit auseinanderziehen lassen, wie man möchte, sollten meiner Meinung nach nur diejenigen tun, die die Fähigkeit dazu haben, lange Sätze auch sinnvoll zu bilden. Denn meistens hat der Leser den Anfang vergessen, wenn er hinten angelangt ist. Außerdem sind lange Sätze meist langweilig, und auch mühsam zu lesen. Dein Zitat von Marc Twain gefällt mir, da gerade er ein Wortkünstler ist. Das Buch "Ein Yankee aus Conneticut an König Arthurs Hof" (eine Satire) nimmt zum großen Teil die Sprache des Mittelalters auf`s Korn. Die Hofberichterstattung in seinem Roman ist in ewig langen Sätzen gehalten, die der Protagonist (der Yankee) erfolgreich verändert. Er bringt den Menschen bei, wie man interessante und reißerische Zeitungsberichte schreibt. Liebe Grüße P.S.: Natürlich meinte ich "Verbklammer" und nicht "Werbklammer". |
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Chomsky
Normal Beigetreten: 21/06/2011 19:09:12 Beiträge: 8 Standort: Lehrer/Hochschuldozent Offline |
Hallo
ich habe mal gelesen, dass die Konstruktion tun + Inf (ich tu essen) regional bedingt ist. Sprachhistorisch betrachtet ist sie schon alt. Die Herkunft der Imperfektform der schwachen Verben ( besser gesagt das Dentalsuffix) hängt angeblich auch mit ihr zusammen. ich hörte got. hausida Eigentlich ich hören tat übrigens "tun + Inf" kommt nicht nur im Deutschen vor. Auch im Niederländischen kann man sie hören, zwar in den (sächsischen ?) Mundarten und in der einfachen Alltagssprache, wenn man mit kleinen Kindern spricht z.B. Alles in allem, ein interessantes Phänomen! Chomsky |
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