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Treffpunkt Konjugation

Das Forum für die deutsche Sprache

Index » Stil » "Deutsche Sprache im European Song Contest"
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HerrSyntax

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Beigetreten: 04/05/2011 16:09:11
Beiträge: 65
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Hallo alle musikliebenden Deutschsprachigen,

Der Trend ging in den letzten Jahren immer mehr dahin, nicht mehr in der eigenen Landessprache beim Song Contest aufzutreten. Was vor Jahren noch Voraussetzung war, wird mittlerweile immer weniger in Betracht gezogen. Was meint ihr? Sollten die Komponisten und Texter für 2012 einmal wieder den Mut fassen, entgegen dem Trend, eine deutschsprachige Nummer zum ESC zu schicken. Schlechter als Platz 10 hätte man damit heuer wohl auch nicht unbedingt abgeschnitten.
Auch wenn ich glaube, dass es mit einer nicht-englischen Komposition mittlerweile sehr schwer bis unmöglich geworden sein dürfte, die Top 5 zu erreichen, so sollte man zumindest einen Gedanken daran verschwenden.
Vielleicht hat der eine oder andere von Euch eine Idee, ob ein - richtig gut komponierter und vor allem getexteter- Titel ernsthafte Chancen hätte oder ob ihr das für ein sinnloses Unterfangen halten würdet.

Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
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Ein Grundanliegen der EU ist, zumindest auf dem Papier, die sprachliche und kulturelle Vielfalt, und dieser Reichtum ist in der Tat erhaltenswert. Dazu sollte auch der Austausch gehören, und wenngleich ich nicht weiß, ob die Eurovision das beabsichtig, so wird es zumindest beim ESC nicht angestrebt. Viele Sänger und insbesondere Deutsche bevorzugen leider den Einheitsbrei und die Monokultur.

Das verwundert jedoch kaum, da viele Deutsche bereits das Anbiedern an Amerika mit Weltoffenheit verwechseln. Was bleibt, ist, am Erbe der Dichter und Denker zu zehren bis zur gänzlichen Unbedeutsamkeit. Beiträge zum Weltkulturerbe überlassen wir anderen; für den ESC ist Weltkulturerbe viel zu hoch gegriffen, aber nicht einmal hier vermögen wir es, einen kleinen Beitrag zu leisten.

Wenn sprachlich und kulturell Lieder beliebig austauschbar sind, bleibt nichts – keine Lust an der eigenen Sprache, kein Freude, sich anderen zu präsentieren, nichts, mit dem man für andere interessant und reizvoll ist –, es bleibt nichts, außer dem Vertreter der eigenen Nation zuzujubeln, einfach so, sinnfrei, aus niederen Beweggründen der Gruppenzugehörigkeit.

Die kulturelle Verachtung so offen zur Schau zu stellen, ist eigentlich mutig genug. Ich freue mich über jede auf diese Weise errungene und wohlverdiente Niederlage.

This message was edited 1 time. Last update was at 15/05/2011 14:32:36

HerrSyntax

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Beigetreten: 04/05/2011 16:09:11
Beiträge: 65
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Hallo Wortraum,

Es gefällt mir, wie du den Sachverhalt aus deiner Sicht geschildert hast und ich kann Dir nur beipflichten: Es bleibt zu hoffen, dass der von Dir erwähnte Reichtum an kultureller Vielfalt in irgendeiner Form erhalten werden kann. Ich bin auch relativ sicher, dass dies geschehen kann und geschehen wird, wenn sich genug Verantwortliche, Politiker und Leute mit Verstand finden lassen, die sich dessen bemühen.
Wie du bemerkt hast, habe ich beim Erwähnen des Erhalts des Reichtums an Vielfalt ...die "Sprache" mit Bedacht ausgelassen, da ich - wie schon mehrfach erwähnt - ganz fest davon überzeugt bin, dass viele, viele Muttersprachen (und leider auch die unsrige) als Kommunikationsmittel in absehbarer Zeit irrelevant sein werden.

Dies halte ich allerdings - global oder Eu-weit gesehen - für eher förderlich denn zerstörerisch, denn die Basis, auch für kulturellen Austausch, braucht eine gemeinsame Kommunikationsgrundlage- keine Frage. Diese kann zwar, muss aber aber nicht - per se - dazu führen, monokulturellen Einheitsbrei zu erzeugen, sondern kann im Gegenteil die Besonderheiten und spezifischen Vorzüge eines Ortes oder einer Region sogar erhalten und fördern helfen - eben weil man sich plötzlich versteht.

Früher hatte man sich oft nicht verstanden und bekriegt. Das heutige - mit unendlicher Geschwindigkeit - anwachsende Verständigungssystem Internet wird noch Vieles ändern und hat auch schon immens viel geändert.
Wenn wir die Änderungen mit Bedacht zu nutzen werden wissen, dann kann, dann muss von einem Segen dieses weltweiten Zusammnenführens gesprochen werden.

Wie gesagt, lokale, ortsspezifisch bedingte und kuturelle Unterschiede können und werden erhalten werden - trotz eines EINHEITS-Englisch, das ist meine feste Meinung. Schon aufgrund der Geologie, des Wetters, der Gemüter ... der Historie ...
und so weiter.


Ich denke, es wird sich global so ähnlich etablieren wie es derzeit auf nationaler Ebene funktioniert.
Der Westfale spricht (fast) die gleiche Sprache wie der Bayer -- aber die Kulturen könnten unterschiedlicher nicht sein.
Und das wäre doch, was wir uns auch weltweit wünschen:
Gegenseitiges Verständnis (im Sinne von sich auch im Worte zu "verstehen") sowie Toleranz.

Das ist meine Theorie, wohin wir uns als EU- oder Weltgemeinschaft in den nächsten Jahrzehnten bis Jahrhunderten hinbewegen werden und ich stehe dem sehr positiv, aber sicherlich nicht euphorisch gegenüber.
... und natürlich werden wir uns unsere derzeitige, und dann einstige Sprache Deutsch in den Lehrbüchern erhalten und einige "Gelehrte" werden noch 2230 in ihr rezitieren, oder sie sprechen können.

KOMMUNIKATION ist ALLES. Das MITTEL ist sekundär.

wortgewandt

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Beigetreten: 23/12/2010 00:53:59
Beiträge: 99
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HerrSyntax wrote:Sollten die Komponisten und Texter für 2012 einmal wieder den Mut fassen, entgegen dem Trend, eine deutschsprachige Nummer zum ESC zu schicken.


Ja, ich wäre auch dafür! Immerhin wäre damit auch die Gefahr, dass die Songtexter in ihrer eigenen Muttersprache fehlerhaft texten, damit deutlich geringer! Zudem würde diese so nicht mehr so leicht in Vergessenheit geraten.

Ich möchte ein aktuelles Beispiel für sprachliche Fehler in englischsprachigen Songtexten nennen (der natürlich auch in anderen Fremdsprachen vorkommen könnte, aber Englisch ist nun mal die häufigste Fremdsprache in Songs):

"Stranger things are starting to begin" -> Das zeugt nicht nur von schlechtem Englisch, sondern auch von genereller Unüberlegtheit bei der Verwendung von Sprache. Jeder weiß doch, dass "to begin" und "to start" Synonyme sind und die Aussage daher schlicht doppelt gemoppelt ist!

Im Deutschen wäre es sicherlich sofort aufgefallen, dass "Fremdere Dinge fangen an zu beginnen" im Grunde ein komplett unsinniger Satz ist.

Übrigens gibt es durchaus noch Länder, die Songs in ihrer eigenen Sprache dort vortragen. Die Spanier zum Beispiel haben sich bis jetzt (zum Glück) noch nicht dem "Englisch-Hype" gebeugt.

Wobei ich - wie Ihr - einen klaren Unterschied zwischen einer gemeinsamen Sprache als Kommunikationsmittel (bei gleichzeitigem Erhalt der kulturellen Individualität) und einem sinnfreien sprachlichen "Einheitsbrei" mache.

Sprache kann verbinden - sie kann aber auch trennen. Es kommt immer darauf an, wie man sie anwendet und ob sie von Toleranz oder im Gegenzug von Ignoranz und / oder Gleichgültigkeit geprägt ist.

This message was edited 2 times. Last update was at 15/05/2011 17:32:36

Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
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HerrSyntax wrote:KOMMUNIKATION ist ALLES. Das MITTEL ist sekundär.
Unsere Sprache ist aber wesentlich mehr als Kommunikationsmittel. Sprache formt nämlich das Denken und die Gedanken. Muttersprachler verschiedener Sprachen sehen die Welt verschieden, ein Beispiel aus der Wahrnehmungspsychologie: Engländer nehmen die Welt anders wahr als Deutsche, sie legen den Augenmerk nämlich auf einen Vorgang, während Deutsche des Augenmerk auf ein Ziel richten.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/753666/

Ebenso weiß man, daß die Mitteln einer Sprache dem Denken Grenzen setzen. Orwell thematisierte diese Erkenntnis in 1984 mit Neusprech und Gedankenverbrechen. Wir wissen das aber nicht erst durch die Psychologie und Experimente, schon die Zensur, die Umbenennung und Euphemisierung in Diktaturen lehrte uns dies, wie es kaum besser als in Victor Klemperers Lingua Tertii Imperii hätte beschrieben werden können.

Kommunikation ist erst einmal unbedeutend; wichtig ist, was gesagt, was gedacht wird und was davon vermittelt werden kann. Darüber entscheidet in ganz großem Maße vor allem das Mittel. (Das steht allerdings noch nicht im Widerspruch damit, es sei sekundär. )

Wie du bemerkt hast, habe ich beim Erwähnen des Erhalts des Reichtums an Vielfalt ...die "Sprache" mit Bedacht ausgelassen, da ich […] ganz fest davon überzeugt bin, dass viele, viele Muttersprachen (und leider auch die unsrige) als Kommunikationsmittel in absehbarer Zeit irrelevant sein werden.
Von den derzeit 7000 aktiv gesprochenen Sprachen sind in der Tat etwa die Hälfte vom Aussterben bedroht, und ein Großteil davon wird im nächsten Jahrhundert verloren sein. Daß dies aber ausgerechnet die größten von ihnen betreffen solle, halte ich für eine wirklich ausgesprochen gewaagte These.

Allein Spanisch, Portugisisch, Deutsch oder Französisch gehören zu den größten Sprachen der Welt. Daß eine der 12 großen Weltsprachen in absehbarer Zeit irrelevant werden könnte, halte ich für ausgeschlossen. Vielleicht aber versteht Du unter Irrelevanz etwas anderes als ich.

Selbst die kleineren Sprachen in Europa wie Finnisch sind äußerst lebendig und wohlgepflegt.

This message was edited 1 time. Last update was at 15/05/2011 19:39:28

wortgewandt

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Beigetreten: 23/12/2010 00:53:59
Beiträge: 99
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Interessanter Artikel, und interessante Gedanken! Und es klingt einleuchend, dass die Sprache in einem erheblichen Maß (wenn auch nicht immer komplett, denn es gibt ja auch bildliches Denken, solches, das durch Emotionen hervorgerufen wird, und noch einige andere Denkarten mehr - hier sind die Ausprägungen natürlich unterschiedlich) unser Denken formt. Immerhin ist die Fähigkeit, mittels Sprache zu kommunizieren, ja im Verlauf der Evolution erst durch die Fähigkeit des komplexeren Denkens beim Menschen entstanden. Andernfalls würden wir noch immer tierische Laute von uns geben und könnten somit keine komplexeren Sachverhalte austauschen (Kommunikation ist ja auch immer ein Austausch von Informationen - ein Monolog ist für mich also keine Kommunikation, sondern höchstens eine Verdeutlichung vor sich selbst, eine Reflexion).

Wie ausgeprägt hingegen der Einfluss einer bestimmten Sprachart auf das Denken ist, dessen war ich mir vor dem Lesen dieses Artikels nicht im dem Ausmaß bewusst. Dass es unsere jeweiligen Denkweisen irgendwie beeinflusst, war mir schon klar. Aber nicht, dass die Art und Weise, wie etwas wahrgenommen wird (bzw. wie man den jeweiligen Schwerpunkt der Betrachtensweise setzt - die Engländer haben ja durchaus wahrgenommen, wohin die Frauen gegangen sind, sie haben es nur eben offenbar erst später und in einem kürzeren Zeitraum registriert), davon maßgeblich beeinflusst wird.

Ich denke, das führt sehr gut vor Augen, wie wichtig es ist, die Sprache richtig und bewusst zu pflegen. Oder beim Erlernen einer Fremdsprache ruhig auch mal zu vergleichen. Auch insofern kann die Beschäftigung mit einer anderen Sprache den Horizont erweitern, aber auch die Erkenntnis fördern, dass Dinge eben durchaus unterschiedlich betrachtet werden können. Wenn sich die Menschen dessen bewusst sind, werden sie sicher letztendlich auch toleranter mit anderen Sprachen / Kulturen umgehen und eben auch die anderen Sichtweisen besser akzeptieren können. Diese Erkenntnis schafft somit auch ein tiefergehenderes kulturelles Verständnis. Insbesondere Übersetzer sollten sich dieser Zusammenhänge bewusst sein, denn dieses Verständnis (das Bewusstsein dafür, dass Sprache und Denken in einem wesentlichen Zusammenhang stehen und untereinander interagieren) ist grundlegend wichtig, um einen Text so zu übersetzen, wie er vom Verfasser auch gemeint ist. Und zwar so, dass es auch die Leute, die die Übersetzung lesen, richtig verstehen.

Kommunikation ist erst einmal unbedeutend; wichtig ist, was gesagt, was gedacht wird und was davon vermittelt werden kann. Darüber entscheidet in ganz großem Maße vor allem das Mittel.


Dem stimme ich voll und ganz zu. Denn theoretisch besteht ja auch die Gefahr, dass "das Falsche" vermittelt = kommuniziert wird bzw. etwas anderes als das, was eigentlich gemeint ist. Andererseits kann Sprache auch manipulativ verwendet werden, was z. B. in der Politik verheerende Folgen haben kann.

Es gibt ja dieses asiatische Sprichwort, dass in dem Zusammenhang wohl gut passt:

"Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten.
Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter."

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