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Index » Sonstiges » Floskeln im Arbeitszeugnis
Autor Beitrag
Daisy_bluebell

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Beigetreten: 03/01/2012 20:11:32
Beiträge: 50
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Ich habe in einem anderen Thread etwas über Floskeln gelesen und da fiel mir das Arbeitszeugnis ein. Hier gibt es ja sehr viele Floskeln, die man entschlüsseln muss, weil alle Aussagen gut klingen, weil der Arbeitnehmer ja einen Anspruch auf ein gutes Arbeitszeugnis hat, aber teilweise auch wirklich niederschmetternd in kann. Hier mal eine kleine Auswahl:

Für die Belange der Belegschaft bewies er/sie ein umfassendes Einfühlungsvermögen
= Er / Sie ist homosexuell / wollte Mitarbeitern an die Wäsche

Für die Belange der Belegschaft bewies er Einfühlungsvermögen
= Er sucht sexuelle Kontakte im Betrieb

Er hat sich stets um gute Verbesserungsvorschläge bemüht
= Er ist ein Besserwisser, der seine Fachkenntnisse (soweit vorhanden) nicht in die Praxis umsetzen kann

Er hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt
= Er ist ein Bürokrat, Eigeninitiative ist ein Fremdwort

Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter
= Mit seinen Vorgesetzten hatte er Probleme

Wir haben ihn als zuverlässigen Mitarbeiter kennengelernt
= Er war nicht sehr beliebt

Er war wegen seiner Pünktlichkeit ein gutes Vorbild
= Die Leistungen waren völlig unzureichend

Er war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen
= Er ist ein unangenehmer Mitarbeiter

Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen (Einverständnis) getrennt
= Wir haben ihm gekündigt

Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen
= Er ist ein Mitläufer, der sich gut anpasst

Er zeigte für seine Arbeit Verständnis
= Er war faul und hat nichts geleistet

Er bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden
= Er hat versagt

Er war immer mit Interesse bei der Sache
= Er hat sich angestrengt, aber nichts geleistet

Er hat sich mit großem Eifer an diese Aufgabe herangemacht und war erfolgreich
= mangelhafte Leistung

Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen
= Viele Mitarbeiter sahen ihn lieber von hinten als von vorn

Wer immer tut, was er schon kann,
bleibt immer das, was er schon ist.
Iggiz

Normal

Beigetreten: 29/06/2011 15:06:35
Beiträge: 200
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Hallo Daisy_bluebell,

ein Arbeitszeugnis sollte möglichst ohne viele Floskeln auskommen. Du sprichst jedoch von geheimen Codes, die in das Arbeitszeugnis eingebracht werden.

Eine Floskel ist "Sie arbeitete zu unserer vollsten Zufriedenheit.".
In ihnen werden die Arbeitsleistung, das Verhalten und somit die Gesamtbewertung beschrieben.

Zur Gesamtbeurteilung kommen dann auch die Bewertungen der einzelnen Arbeitsleistungen und des Sozialverhaltens. Darin stehen dann meist solche Floskeln, wie du sie oben beschrieben hast.

Weitere können sein:
- Er/sie war stets bemüht/hat sich angestrengt (es aber nie geschafft!).
- hat alle Aufgaben ordnungsgemäß erledigt (unkreativer Langweiler).
- Einschränkungen wie "im Allgemeinen" oder "grundsätzlich" wirken sehr negativ
- zeigte Verständnis für seine Arbeit (hat überhaupt nichts zustande gebracht).
- Sie war ein gesuchte Gesprächspartnerin (sie ist ein Schwätzerin, tratscht zu viel).
- Schlussformel: Wir wünschen ihm alles Gute und vor allem Gesundheit (er war oft krankgeschrieben).

Die Frage, die ich mir nun aber stelle, ist, ob jeder Arbeitgeber sich über die Bedeutungen der Floskeln bewusst ist. Vielleicht meint er es auch gar nicht so, wie es eigentlich übersetzt wird, sondern meint es ehrlich.

Beispiel: Er hat alle Aufgaben ordnungsgemäß erledigt. Man nehme zum Beispiel einen Bürokaufmann.

Man merkt schnell, dass man damit nicht immer alles negativ sehen sollte, anderenfalls kann man die Beurteilung mit den Arbeitgeber besprechen, ein neues ausstellen lassen und notfalls sogar dagegen klagen.

Was mich schließlich interessieren würde, wäre, welche Floskel, die schlimmste von allen wäre? Welche geht gar nicht? Und warum kann man nicht einfach die Arbeitszeugnis in Form eines Schulzeugnisses schreiben? Schulnoten sagen schließlich viel mehr aus, da sie eindeutiger sind und besser abzurechnen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Iggiz
glupeyshina

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Beigetreten: 02/02/2012 14:18:25
Beiträge: 50
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Iggiz wrote:
Was mich schließlich interessieren würde, wäre, welche Floskel, die schlimmste von allen wäre? Welche geht gar nicht? Und warum kann man nicht einfach die Arbeitszeugnis in Form eines Schulzeugnisses schreiben? Schulnoten sagen schließlich viel mehr aus, da sie eindeutiger sind und besser abzurechnen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Iggiz


Oh ja, Arbeitszeugnisse mit Schulnoten fände ich fantastisch. Diese geheimen Codes sind meiner Meinung nach vollkommen unzumutbar. Vor einiger Zeit bekam ich mein erstes Arbeitszeugnis ausgestellt und grübele noch immer, ob man mich darin gelobt hat, oder die Menschheit davor warnt, sich mit mir auf der selben Straßenseite zu befinden... Es gibt natürlich Seiten im Internet, die die gängisten Codes entschlüsseln, man kann sich aber nie vollkommen sicher sein, dass es nicht doch eine Formulierung gibt, die zwar positiv klingt, aber etwas sehr negatives meint. Im Endeffekt lassen sich die Arbeitszeugnisse dann doch in Schulnoten entschlüsseln, wenn man den Code kennt (zu unserer vollsten Zufriedenheit=1, zu unserer vollen Zufriedenheit=2, zu unserer Zufriedenheit=3 etc.). Da wäre es doch wesentlich praktischer, allen Beteiligten eine Menge Recherche zu ersparen und einfach das hinzuschreiben, was man meint. Ehrlich gesagt wäre es mir auch lieber, wenn negative Bemerkungen explizit im Arbeitszeugnis stehen würden. Wenn der Arbeitgeber sie schreibt, hat man es entweder verdient (und muss die Konsequenzen seines Verhaltens tragen) oder der Chef will den Arbeitnehmer schikanieren, dann muss man rechtliche Schritte einleiten, weiss aber auch sofort mit Ausstellung des Zeugnises, dass es an der Zeit ist Maßnahmen zu ergreifen. Dann hätte der Arbeitnehmer auch die Chance sich zu ändern. So, wie die Dinge jetzt stehen, weiss man gar nicht, was für Fehler man vielleicht hat und in welche Richtung man sich verbessern sollte. Eine Formulierung, über der ich zum Beispiel immer noch grübele lautet: "Sie bewies großes Geschick im Umgang mit den Patienten." Ist das jetzt gut oder schlecht??? Wenn man zu stark zwischen den Zeilen liest, kann man ja alles ins Negative umkehren. Bedeutet es zum Beispiel, dass ich jemanden manipuliert habe??? (Und wenn ja wozu???) Ein kleiner Trost ist, dass meine Arbeit insgesamt zur "vollsten Zufriedenheit" war. (Gibt es eigentlich das Wort "vollste"? Voll, voller, am vollsten? Geht das?)
Und um auf Iggiz' Frage zu antworten: Ich glaube die schlimmsten Formulierungen sind die, die bedeuten, dass man entweder angetrunken auf der Arbeit erschienen ist, oder ein Besserwisser, oder mit den Kollegen nicht klarkommt. Als Personalchef wären das für mich zusammen mit Faulheit und sexuellen Belästigungen Killerkriterien, um einen Bewerber gar nicht erst zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen...

Das Leben birgt auch gute Stunden
hab Fischaugen am Strand gefunden
werd' sie auf meine Augen nähen
kann dich dann unter Wasser sehen.
-Till Lindemann
Iggiz

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Beigetreten: 29/06/2011 15:06:35
Beiträge: 200
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Hallo,

glupeyshina schrieb:
Eine Formulierung, über der ich zum Beispiel immer noch grübele lautet: "Sie bewies großes Geschick im Umgang mit den Patienten." Ist das jetzt gut oder schlecht??? Wenn man zu stark zwischen den Zeilen liest, kann man ja alles ins Negative umkehren. Bedeutet es zum Beispiel, dass ich jemanden manipuliert habe??? (Und wenn ja wozu???) Ein kleiner Trost ist, dass meine Arbeit insgesamt zur "vollsten Zufriedenheit" war. (Gibt es eigentlich das Wort "vollste"? Voll, voller, am vollsten? Geht das?)


"Sie bewies großes Geschick im Umgang mit den Patienten." klingt so, als ob es versucht hast, aber es dir nicht gelungen ist. Ich kenne den Zusammenhang nicht, aber gehe mal davon aus, dass es im positiven Rahmen ist. Dein Arbeitgeber meint bestimmt, dass du sehr flexibel bist, du auf den Patienten eingangen bist, egal mit welchen Voraussetzungen der Patient zu dir kam. Du kannst demnach gut mit Menschen umgehen. Man müsste nun ja mal schauen, was zu den Vorgesetzten und den Kollegen dazu steht. Aber das kannst du nur, außer du würdest dein gesamtes Arbeitszeugnis einfügen. Wegen den Datenschutz, auch wenn man es nicht alles ausschreibt und sagt, wo man gearbeitet hat, würde ich damit vorsichtig umgehen. Es ist also im Endeffekt dir überlassen.

Die von dir angesprochene Steigerung des Wortes "voll" möchte ich dir nun noch beantworten. "Voll" ist ein absoluter Zustand, sowie leer, gedeckt etc. Somit ist eine Steigerung eigentlich nicht möglich, aber wenn man überall im Internet nach diesen Worten schaut, steht ein Komparativ und ein Superlativ da. Als Komparativ voller und als Superlativ eben am vollsten. Wie es dazu kam, dass man in Arbeitszeugnissen diese Unterscheidung zum Bestimmen der Fähigkeiten und Fertigkeiten benutzte, kann ich dir nicht erklären, aber wenn ich etwas herausfinden sollte, werde ich es dir offenbaren.

Mit freundlichen Grüßen

Iggiz
 
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