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Treffpunkt Konjugation

Das Forum für die deutsche Sprache

Index » Sonstiges » Unterricht nur auf Hochdeutsch?
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Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
Beiträge: 150
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Durch meine Neffen und Nachhilfeschüler habe ich in den letzten Wochen einen kleinen Aufruhr an einer Schule in meiner Nähe mitbekommen. Die Vorschule in einem Leipziger Vorort hat einige hundert Schüler und ich schätze um die 15 Lehrer. Viele der Lehrer unterrichten schon seit Jahrzehnten in dieser Schule, wurden jetzt aber zum Ziel der Eltern, da sie teilweise einen starken sächsischen Dialekt haben. In diesem Dialekt unterrichten sie auch die Kinder. Da immer mehr Eltern zuhause Wert auf Hochdeutsch legen, sind auch die Kinder weniger mit dem Sächsisch vertraut und haben daher Verständigungsprobleme mit diesen Lehrern – sprich: sie verstehen sie häufig im Unterricht nur schlecht und kommen daher auch beim Stoff schlechter mit. Jetzt wird von den Eltern darauf gedrängt, dass die Lehrer nur noch auf Hochdeutsch unterrichten.

Was haltet ihr davon?
Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
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Ich bin der Meinung, der Unterricht sollte in der Umgangssprache (im Sinne einer Sprache zwischen Hochdeutsch und Dialekt) oder in gehobener Sprache gehalten werden, zumal es keine standardisierte Hochsprache gibt, die als Umgangssprache verwendet werden könnte; die Hochsprache ist vor allem eine Schriftsprache. Anderseits sind in Aufsätzen Sätze wie „Von was sollen Bauern leben?“ oder „Da kann man nichts gegen tun“ mit einem Hinweis auf das Hochdeutsche anzustreichen. Man sollte hier also zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden und beachten, daß es keine Standardisierung gibt und deutsche Umgangssprache immer regional geprägt ist.

Ähnlich sieht es bei der Aussprache aus, auch hierfür gibt es keine Standardisierung, sondern allenfalls weisende Werke wie die Deutsche Bühnenaussprache. Doch selbst für das Hochdeutsche gibt es verschiedene Aussprachen, wenigstens die deutsche, die österreichische und schweizerische.

Ob Mundarten im Unterricht verwendet werden sollten, ist wirklich schwer zu beantworten. Sie bedeuten Vielfalt, sie sind Erbe und bilden den Sprachreichtum des Deutschen, andererseits hätte ich beispielsweise wenig verstanden, wenn der Unterricht in Hessisch gehalten worden wäre.

Die ausschließliche Verwendung des Hochdeutschen scheint mir nicht sinnvoll, und beim Unterricht in einer Mundart sollte nicht übertrieben werden. Deren Erhalt wäre zwar wünschenswert, Verständlichkeit ist es jedoch ebenso. Für die gesprochene Sprach ist die Umgangssprache oder gehobene Sprache das Maß der Dinge, und wer mit ihnen Probleme hat – die ja eher gering und auf Einzelwörter und Ausdrücke beschränkt sind –, muß sie eben lernen. Wenn man in eine neue Region zieht, muß man das aber sowieso immer. (Beim erstenmal empfand ich es beispielsweise als unhöflich, als mir in Hamburg auf danke mit da nicht für geantwortet wurde.)

This message was edited 4 times. Last update was at 30/01/2012 01:50:37

Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
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Danke für die Antwort.
Ich sehe es ebenso, dass bei einem Umzug eben die neue Aussprache gelernt werden muss. In diesem Einzelfall geht es jedoch nicht um zugezogene Schüler, die nun Schwierigkeiten haben die Lehrer zu verstehen. Es handelt sich um Kinder, die ebenfalls in Sachsen aufgewachsen sind.

Gerade in der Grundschule, in der wichtige Bausteine für die weiterführende Bildung gelegt werden, wo das Schreiben gelernt wird und auch häufig der Satz 'Das wird so geschrieben, wie man es spricht.' fallen dürfte, empfinde ich starken Dialekt als äußerst kontraproduktiv. Wie sollen Schüler lernen, dass Mama oder Katze geschrieben wird, wenn die Lehrerin 'Momoa' und 'Gatze' sagt (mal als vereinfachte Beispiele)?
Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
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Das ist ja dann wieder Mundart, und von der sagte ich, daß sie nicht übertrieben sein sollte. (Du formuliertest es besser mit starkem Dialekt.) Stattdessen sprach ich mich für die Umgangssprache aus.

Die Wörter sind leider nicht eindeutig, deswegen erklärte ich in Klammern, wie die Umgangssprache in meinem Beitrag zu verstehen ist (die allerdings ist nicht von mir selbst definiert, sondern meist so gebräuchlich). Man könnte es auch schematisch darstellen:
Mundart/Dialekt -> Alltagssprache/Umgangssprache -> Hochsprache/Standardsprache/Schriftsprache

Hochdeutsch spricht eigentlich niemand, gleich ob man ihn an der Aussprache, an der Grammatik oder dem Wortschatz mißt. Man kann es also bei der Schriftsprache anstreben, während die gesprochene Sprache meines Erachtens in Schulen vor allem Umgangssprache und eben gerade nicht Mundart sein sollte. Daher rückte ich die Sprache, die verwendet werden sollte, näher an die Hochsprache heran, indem ich auch von gehobener Sprache schrieb.

Daß man in der deutschen Sprache so schreibt wie man spricht, stimmt ja ohnehin nur grob, und nähme man sogar die Aussprache zum Maßstab, die quasi als Norm für das Hochdeutsche gilt, würden ohne weitere Erklärung bei einfachen Wörtern wie Honig oder König falsche Schreibungen sie Honich oder Könich entstehen. Ich denke, daß es keine Probleme gibt, wenn diese Faustregel wie gehabt von Kindern auf die Umgangssprache angewandt wird, außer eben denen, die es auch bisher gab: weg (weck), gehen (gehn), Sarg (Sag), haben (habn) und so fort. Eigentlich war das aber in Schulen nie ein Problem; bei einigen muß man es lernen, bei anderen hilft eine saubere Aussprache – und vor allem viel Lesen und Schreiben, was ja ohnehin erst dazu führen kann, daß man ein Wort an seinem Schriftbild erkennt und nicht erst mühselig Buchstabe für Buchstabe entziffern oder zusammensetzen muß.

Ich stimme Dir also zu, daß starke Mundart hinderlich ist. Allerdings geht es hier eher um das Verstehen, denn die Umgangssprache ist wohl jedem Kind aus Radio und Fernsehen so weit geläufig, daß es auch danach schreiben kann. Oder vielleicht auch nicht? (Persönliche Erfahrungen damit habe ich keine.)

This message was edited 1 time. Last update was at 30/01/2012 20:26:54

Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
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Ich habe dir da ja auch nicht widersprochen, sondern meinen Standpunkt dazu beschrieben. Den Begriff Umgangssprache finde ich deswegen problematisch weil diese auch mehr oder minder stark – in diesem Fall vom Sächsischen – durchzogen sein kann.
Zu deiner Anmerkung bezüglich der Einflüsse von Radio und Fernsehen: Grundschüler, sprich Kinder zwischen 6 und 10 Jahren Alter verbringen in dieser Schule im Schnitt acht Stunden täglich (Schule mit Ganztags-Angebot), entsprechend groß ist auch der (sprachliche) Einfluss der Lehrer. Als mein Neffe in diese Schule kam, brachte er einmal eine Hausaufgabe zur Kontrolle zu mir. Das erste Wort, das mir ins Auge stach, war 'habsch' – sollte natürlich 'habe ich' heißen. Seine Begründung: 'Die Lehrerin hat gesagt, man schreibt es so, wie man es spricht.' Mit Sicherheit hatte er es schon oft von den unterschiedlichsten Sprechern gehört, mit Sicherheit auch die Wörter getrennt als 'habe' und 'ich' kennengelernt – nach dem Hinweis der Lehrerin hat er sich jedoch rein darauf verlassen. Meiner Erfahrung nach ist der Einfluss der Lehrer also keineswegs zu unterschätzen. Natürlich sind sie nicht die einzigen Sprachvorbilder aber vor allem in dieser Phase sehr entscheidend.
Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
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Ja, das stimmt natürlich. Das kann nicht funktionieren, wenn ein Lehrer sagt, man schreibe wie man spricht, ohne dabei die Mundart davon auzunehmen. Und ein Lehrer sollte habe ich auch klar und möglichst standardsprachlich aussprechen.

Auch Wörter wie nicht oder hast Du sollten klar und einzeln ausgesprochen werden, wenn es darum geht, in der Grundschule Kindern das Schreiben zu lehren (also nicht nich oder haste).

Wir sind uns da also einig.
Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
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Absolut. Ich bin vierfache Tante und bekomme dadurch auch viel vom derzeitigen Schulalltag mit. Möglicherweise liegt es an meinem derzeitigen Filter aber mir drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass einige Lehrer ihren Einfluss und ihre Verantwortung stark unterschätzen bzw. nicht wahrnehmen. In einem anderen Thread hatte ich ja auch bereits angemerkt, dass eine Biologie-Lehrerin das Zwerchfell zum Zwergfell machte (vermutlich der Versuch die Aussprache fälschlicherweise zu korrigieren) und das ist nur ein Punkt auf einer wirklich langen Liste.
Das nun auch Grundschüler unter dieser (in meinen Augen) unreflektierten Nachlässigkeit leiden müssen, ist für mich der Tropfen der das Fass zum Überlaufen bringt.
glupeyshina

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Beigetreten: 02/02/2012 14:18:25
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Natürlich ist es ein Dilemma, wenn einerseits versucht wird das regionale Kulturerbe zu erhalten und andererseits den Schülern daraus kein Wettbewerbsnachteil in der heutigen Arbeitswelt entstehen soll. Spätestens bei einem Umzug in andere Gegenden, oder bei der Aufnahme einer Arbeit mit Kundenkontakt würde es als Nachteil gelten, wenn man nur Dialekt spricht. Verständlicherweise möchten Eltern nicht, dass ihre Kinder später als "Landeier" abgestempelt werden, oder dass sie sonstige Nachteile im Berufs- oder Privatleben haben. Besonders bei Kindern, deren Eltern selber Dialekt sprechen, wäre es wichtig, dass sie sich schon in der Schule daran gewöhnen, "Hochdeutsch" zu sprechen. Andersherum ist es auch für Schüler, die ihren Regionaldialekt nur unvollkommen, oder gar nicht beherrschen schwierig, dem Unterricht zu folgen. Ich fände es folglich besser, wenn in den Schulen wirklich auf "Hochdeutsch" unterrichtet werden würde. Um die regionalen Dialekte zu bewahren bietet es sich an, ein Fach "Heimatkunde" in den Schulen einzuführen, wie es in manchen Regionen schon gemacht wird.

Das Leben birgt auch gute Stunden
hab Fischaugen am Strand gefunden
werd' sie auf meine Augen nähen
kann dich dann unter Wasser sehen.
-Till Lindemann
 
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