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Treffpunkt Konjugation

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Index » Sonstiges » die Unwörter der letzten Jahre
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teerose

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Beigetreten: 29/01/2010 08:13:25
Beiträge: 52
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Hallo miteinander

ich habe eben das wort des Jahres 2009 "die Abwrackprämie" gelesen...daraufhin habe ich mal die Unworte der letzten Jahre recheriert. Das ist auch sehr interessant:

1991 : Ausländerfrei (fremdenfeindliche Parole in Hoyerswerda)

durchrasste Gesellschaft (Mischung der Deutschen mit Ausländern; Edmund Stoiber)
intelligente Waffensysteme (aus der Golfkriegsberichterstattung)
Personalentsorgung (für Entlassungen)
Warteschleife (Phase sozialer Unsicherheit von Arbeitskräften in den östlichen Bundesländern)

1992 : Ethnische Säuberung (Propagandaformel im ehemaligen Jugoslawien)
weiche Ziele (militärsprachl. Umschreibung für Menschen)
auf-/abklatschen (tätliche und tödliche Angriffe auf Ausländer)
aufenthaltsbeendende Maßnahmen (Abschiebungen im sog. Asylkompromiß; GG Art. 16a)
Beileidstourismus (für Trauerkundgebungen anlässl. der Morde von Mölln)

1993 : Überfremdung (Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern)

kollektiver Freizeitpark (Unterstellung einer sozialpolitische Wunschvorstellung; Helmut Kohl)
Sozialleichen (Verstorbene, die aus völliger Verelendung stammen; Objekte für Auto-Crashtests)
schlanke Produktion / lean production (mit weiteren Varianten) (Unternehmensstrategie mit Arbeitsplatzvernichtung)
Selektionsrest (für schwerstbehinderte Kinder, die nicht in »Normalklassen« integriert werden können)

1994 : Peanuts (abschätz. Bankerjargonismus; Hilmar Kopper)

Besserverdienende (Pseudodefinition für neue staatliche Einnahmequellen)
Dunkeldeutschland (Ironismus für östliche Bundesländer)*
Buschzulage (Gehaltszulage für sog. Aufbauhelfer in den östlichen Bundesländern)*
Freisetzungen (für Entlassungen)*

1995 : Diätenanpassung (Beschönigung der Diätenerhöhung im Bundestag)

Altenplage (Beleidigung der älteren Generation)
biologischer Abbau (Zynismus für Ausscheiden aus dem Arbeitsleben)
sozialverträglicher Stellen-/ Arbeitsplatzabbau (schönfärberische Umschreibung für Entlassungen)
abfackeln (von Sachen und Menschen) (jugendsprachl. zynische Gleichsetzung)

1996 : Rentnerschwemme (falsches, angstauslösendes Naturbild für einen sozialpolitischen Sachverhalt)

Flexibilisierung (Bezeichnung für eine betriebswirtschaftliche Strategie, die den Wert aktiver individueller »Flexibilität« leugnet, diesen Begriff aber schönfärberisch ausbeutet)
Outsourcing (Imponierwort, das der Auslagerung/Vernichtung von Arbeitsplätzen einen seriösen Anstrich zu geben versucht)
Umbau des Sozialstaats (missbräuchliche Verwendung einer [Auf-] Baumetapher)
Gesundheitsreform (missbräuchliche Verwendung des positiv besetzten Begriffs »Reform«)
Sozialhygiene (höchst problematische Anwendung von Hygienevorstellungen auf soziale Sachverhalte; vgl. »Rassenhygiene«, »ethnische Säuberungen«)

1997 : Wohlstandsmüll (Umschreibung arbeitsunwilliger wie arbeitsunfähiger Menschen; Helmut Maucher, Nestlé)

Organspende (Pervertierung der Begriffe »Spende / spenden« in der Transplantationsmedizin)
Blockadepolitik/-politiker (diffamierende Unterstellung einer argumentationslosen Verweigerungshaltung)
neue Beelterung (bürokrat. Umschreibung neuer Erziehungsberechtigter, die an die Stelle der leiblichen Eltern treten sollen)

1998 : sozialverträgliches Frühableben (in einer öffentlichen Erklärung zynisch wirkende Ironisierung; Karsten Vilmar)
Belegschaftsaltlasten (Abfallmetapher für Mitarbeiter, die ein Betrieb gern wieder loswerden möchte)
Humankapital (als Bezeichnung von Kindern!)
Moralkeule (fatale Koppelung von »Moral« und einem Totschlaginstrument; Martin Walser)

1999 : Kollateralschaden (Verharmlosung der Tötung Unschuldiger als Nebensächlichkeit; NATO-offizieller Terminus im Kosovo-Krieg)

2000 : national befreite Zone (zynisch heroisierende Umschreibung einer Region, die von Rechtsextremisten terrorisiert wird)

überkapazitäre Mitarbeiter (Reduzierung von zu entlassenden Arbeitnehmern auf rein betriebswirtschaftliche Größen)
Separatorenfleisch (seriös klingende, bei BSE-Verdacht besonders unangemessene Bezeichnung von Schlachtabfällen)
»Dreck weg!« (CDU-Parole in Darmstadt, die sich auch gegen »missliebige« Menschen richtete)


2001 : Gotteskrieger (Selbst- u. Fremdbezeichnung d. Taliban- u. El Qaeda-Terroristen)

Kreuzzug (pseudoreligiöse Verbrämung kriegerischer Vergeltungsmaßnahmen; US-Präsident George W. Bush)
Topterroristen (verharmlosende und positivierende Benennung von Osama bin Laden)
therapeutisches Klonen (zweifelhafte Wortzusammenstellung um Manipulationen am menschlichen Erbgut gegen Krankheiten/für Therapien in nicht absehbarer Zeit zu rechtfertigen)
Gewinnwarnung (von Aktionären verwendeter sachlich falscher Begriff, der vor geringeren Gewinnen als erwartet warnt)


2002 : Ich-AG (Reduzierung von Individuen [als Aktiengesellschaft?] auf sprachliches Börsenniveau)

Ausreisezentrum (Behördenterminus für Sammellager, aus denen abgewiesene Asylbewerber abgeschoben werden)
Zellhaufen (Sprachliche Verdinglichung von Biotechnikern für einen menschlichen Embryo)


2003 : Tätervolk (grundsätzlich inakzeptabler Kollektivschuldvorwurf; als potentiell möglicher Vorwurf gegen Juden bei Martin Hohmann schlicht antisemitisch)
Angebotsoptimierung (Beschönigung von Dienstleistungsminderungen, etwa Stilllegung von Bahnstrecken; ähnlich "Briefkastenoptimierung")
Abweichler (Diskriminierung von Bundestagsabgeordneten, die Gewissensentscheidung über Fraktions-/Koalitionszwang stellten)

2004 : Humankapital (degradiert Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen)

Begrüßungszentren (sprachliche Verniedlichung von Auffanglagern für afrikanische Flüchtlinge; diese Wortbildung ist kongenial zu dem schon offiziellen Namen Ausreisezentrum für Abschiebehaftanstalten)

Luftverschmutzungsrechte (nicht nur ökologisches Unding, das Wort trägt vielmehr auch dazu bei, "Treibhausgasemissionen" für unbedenklich zu halten, weil ihr Handel rechtlich geregelt wird)


2005 : Entlassungsproduktivität (Gewinne aus Produktionsleistungen eines Unternehmens, nachdem zuvor zahlreiche für „überflüssig“ gehaltene Mitarbeiter entlassen wurden.)

Ehrenmord (inakzeptable Berufung auf eine archaische „Familienehre“ zur Rechtfertigung der Ermordung eines meist weiblichen Familienmitglieds.)
Bombenholocaust (widerliche Umschreibung der Zerstörung Dresdens, womit der millionenfache Mord im eigentlichen Holocaust heruntergespielt werden soll)
Langlebigkeitsrisiko (unsensibler Fachterminus für das Versicherungsrisiko, das dadurch entsteht, dass Versicherte länger leben als kalkuliert (vgl. auch „Todesfallbonus“).

2006 : Freiwillige Ausreise (Gesetzes- und Behördenterminus, wenn abgelehnte Asylbewerber aus deutschen Abschiebehaftanstalten, sog. Ausreisezentren, nach intensiver „Beratung“ in ihre Herkunftsländer zurückkehren, wobei die Freiwilligkeit in vielen Fällen zweifelhaft ist)

Konsumopfer (Umschreibung von Models, die durch Abmagern einem Schönheitsideal der Konsumgesellschaft gerecht werden müssen)
Neiddebatte (Diffamierung der öffentlichen Diskussion um übertriebene Managergehälter)

2007 : Herdprämie (Das Wort diffamiert Eltern, insbesondere Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, anstatt einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen.)

klimaneutral
(Kritisiert wird der Versuch, mit diesem Begriff für eine Ausweitung des Flugverkehrs oder eine Steigerung anderer CO2-haltiger Techniken zu werben, ohne dass dabei deutlich wird, wie diese Klimabelastungen "neutralisiert" werden sollen.)

entartet
(Umschreibung für Kunst und Kultur ohne religiöse Bindung)

2008 : notleidende Banken ( Das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise wird rundweg auf den Kopf gestellt. Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden die Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch die die Krise verursacht wurde, zu Opfern stilisiert.)


Rentnerdemokratie
(Als die Renten um ganze 1,1% erhöht werden sollten, malte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, selbst Bezieher satter Altersbezüge, das Schreckbild eines Staates, einer "Rentnerdemokratie", in der "die Alten die Jungen ausplündern".)

Karlsruhe-Touristen
(Diffamierung von Bürgern, die wiederholt wegen der Verfassungsgemäßheit von Gesetzen das Bundesverfassungsgericht anrufen - ausgerechnet durch den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft R. Wendt.)


[b]Wenn man an der Sprache die Haltung der Masse oder Menge zum Einzelnen erkennt, dann sollten wir mehr darauf achten, dass wir Achtung in unserer Sprache haben und wen wir in Führungspositionen wählen



































































Lynnie_Red

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Beigetreten: 17/01/2010 19:28:40
Beiträge: 103
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Hallo teerose und alle sozial Interessierten,

was glaubt ihr wird dieses Jahr gewählt. Schätzt doch mal. Ich weiß, das Jahr hat erst angefangen.

Spätrömische Dekadenz kann es nicht sein. Ist ja keine Wortneuschöpfung.
Und Hirtenbrief kann es auch nicht sein, der steht sogar in der Uni-Leipzig drin.
Aber Missbrauchsbeauftragter würde gehen.

Oft sind die Begriffe ja auch juristisch orientiert. Wirtschaftskrise geht auch nicht, weil wir schon Finanzkrise hatten. Vielleicht ja wieder ein Begriff aus dem Fussball

LG
Lynnie
ulgue63

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Beigetreten: 16/04/2010 15:43:24
Beiträge: 52
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Hallo teerose,

ich habe mich mit der „Unwortproblematik“ noch nicht wirklich auseinander gesetzt.
Muss den das Unwort des Jahres eine Neuschöpfung sein?

Na ja, wie auch immer, ich habe einen Vorschlag. Das Unwort des Jahres 2010 lautet:“ Klammer EU – Staaten“.

Gruß ulgue
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Fee

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Beigetreten: 30/04/2010 10:45:54
Beiträge: 50
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halloan alle
das Unwort des jahres 2009

Das Unwort des Jahres lautet "betriebsratsverseucht". Es stammt von Abteilungsleitern einer Baumarktkette und markiert laut Jury den sprachlichen Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen.

"Betriebsratsverseucht" ist das Unwort des Jahres 2009. Das gab die unabhängige Jury unter Leitung des Sprachwissenschaftlers Horst Dieter Schlosser am Dienstag in Frankfurt am Main bekannt
Fee

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Beigetreten: 30/04/2010 10:45:54
Beiträge: 50
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halloan alle
das Unwort des jahres 2009

Das Unwort des Jahres lautet "betriebsratsverseucht". Es stammt von Abteilungsleitern einer Baumarktkette und markiert laut Jury den sprachlichen Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen.

"Betriebsratsverseucht" ist das Unwort des Jahres 2009. Das gab die unabhängige Jury unter Leitung des Sprachwissenschaftlers Horst Dieter Schlosser am Dienstag in Frankfurt am Main bekannt
ulgue63

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Beigetreten: 16/04/2010 15:43:24
Beiträge: 52
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Hallo,

ja das Unwort des Jahres 2009 ist "Betriebsratsverseucht". Interessant finde ich auch die Vorschläge, die noch zur Debatte standen:
"Flüchtlingsbekämpfung",
"intelligente Wirksysteme"
und als sogenanntes Börsenunwort "Bad Bank"
Mein Vorschlag galt für das Jahr 2010. Das Jahr ist zwar noch nicht wirklich alt. Ich denke aber "Klammer-EU–Staaten“ hat große Chancen. Was meint ihr?

Gruß ulgue
[Email] [WWW]
Franzi1991

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Beigetreten: 23/06/2010 13:16:47
Beiträge: 24
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Hallo liebe Leute,

das schlimmste Unwort aller Zeiten ist für mich nach wie vor "Public Viewing". Wie kann man nur? Eine der fatalsten (eingedeutschten) Wortneuschöpfungen überhaupt!
 
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