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Index » Stil » Chiffre---Stilfigur in der modernen Literatur
Autor Beitrag
Fee

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Beigetreten: 30/04/2010 10:45:54
Beiträge: 50
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hallo an alle

Chiffre stammt aus dem Französischen und bedeutet--Zahl oder Ziffer.
Als Chiffren werden Wörter bezeichnet, die als verrätselte Symbole in einem Text in einem Zusammenhang mit meist komplexen Bedeutungen aufgeladen sind. Chiffren sind dabei nicht nur in einzelnen Texten, sondern auch im Gesamtwerk eines Autors, in einer Denkrichtung, einer Zeit oder eines Diskurses,d.h. der diskurs ist ein erörterndes Gespräch oder Vortrag, bedeutet auch ein "hin und her gehendes Gespräch"(so das Lexikon)

Vertreter: Gottfried Benn: Abschied
Du füllst mich an wie Blut die frische Wunde
und rinnst hernieder seine dunkle Spur,
du dehnst dich aus wie Nacht in jener Stunde,
da sich die Matte färbt zur Schattenflur,
du blühst wie Rosen schwer in Gärten allen,
du Einsamkeit aus Alter und Verlust,
du Überleben, wenn die Träume fallen,
zuviel gelitten und zuviel gewußt.

marlenesophie

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Beigetreten: 30/05/2010 11:20:23
Beiträge: 51
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Hallo Fee,
Ich liebe Gedichte, die Chiffren beinhalten! Da muss man erstmal eine ganze Weile sitzen und überlegen, bis man weiß was der Dichter eigentlich sagen will.
Hier ein Gedicht von Georg Trakl, dass ich besonders mag:

Georg Trakl 1887-1914

An die Verstummten

1 O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend
2 An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren,
3 Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut;
4 Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt.
5 O, das versunkene Läuten der Abendglocken.
6 Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt.
7 Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne der Besessenen,
8 Purpurne Seuche, Hunger, der grüne Augen zerbricht.
9 O, das gräßliche Lachen des Golds.
10 Aber stille blutet in dunkler Höhle stummere Menschheit,
11 Fügt aus harten Metallen das erlösende Haupt
marlenesophie

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Beigetreten: 30/05/2010 11:20:23
Beiträge: 51
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Was man vielleicht auch noch sagen kann, ist das Chiffren vor allem im Expressionismus verwendet wurden. Die Dichter hatten zu dieser Zeit den Bezug zur Natur verloren und nahmen die sie umgebende Welt als einzelne, voneinander losgelöste Splitter wahr. Aus diesen Splittern werden neue „Geheimzeichen“ erschaffen; die Chiffren. Sie können nicht entschlüsselt werden, weil sie losgelöst sind von ihrem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang. Nur die Bezüge, die das Gedicht unter den verschiedenen Chiffren schafft geben ihnen ihre bedeutungsstarke Tiefe. Als Interpretierender kann man nur versuchen, diese Beziehungen zu sehen und die verbundenen Assoziationen nachzuvollziehen.
Viele Grüße und einen schönen Abend noch! marlenesophie
marlenesophie

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Beigetreten: 30/05/2010 11:20:23
Beiträge: 51
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Ich habe noch ein sehr schönes Gedicht voller Chiffren entdeckt:
Es ist von Gottfried Benn, genau wie das von Fee.

Ein Wort
Ein Wort, ein Satz -: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen,
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.


Das haben wir sogar damals in der Schule, im Deutsch Leistungskurs, mal interpretiert. Mir ist es gut in Erinnerung geblieben, weil ich es so schön fand.
Viele Grüße

 
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