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Treffpunkt Konjugation

Das Forum für die deutsche Sprache

Index » Sonstiges » Stellung der deutschen Sprache im europ. Raum
Autor Beitrag
Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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Hier mal ein paar Gedanken zur Stellung der deutschen Sprache im europäischen Raum:

Deutsch als Sprache steht im Verhältnis zum Englischen und Französischen auf internationaler Ebene sehr schlecht und überholt da. Englisch ist die moderne, kundenorientierte Sprache, die sich in Politik, Kultur, Wirtschaft und sogar Wissenschaft durchsetzt und die anderen Sprachen verdrängt. Ein einleuchtendes Beispiel ist die wissenschaftliche Publikation an deutschen Universitäten: Wissenschaftler, z.B. Mediziner, veröffentlichen neue Erkenntnisse in Englischer Sprache, um internationale Anerkennung zu erlangen oder aber sie halten ihre Konferenzen und Referate in Englisch, um ein breites Publikum zu erreichen. Diese permanente Flucht in die andere Sprache hat ihre Ursachen teilweise in einer Sprachmüdigkeit des Deutschen, sich mit seiner eigenen Sprache (und somit seiner Vergangenheit) auseinanderzusetzen, was somit zu einem passiven, nicht selbstbewussten Umgang mit der deutschen Sprache führt.


Gruß,
Loui

This message was edited 1 time. Last update was at 06/06/2010 15:16:58


"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
Franzi1991

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Beigetreten: 23/06/2010 13:16:47
Beiträge: 24
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Dass an den meisten deutschen Universitäten Vorlesungen auf Englisch gehalten werden, hat sicherlich viele Vorteile. Es gibt aber einen ganz schwerwiegenden Nachteil: Als Wissenschaftler hat man in einer Fremdsprache nie die Ausdrücksmöglichkeiten, die man in seiner Muttersprache hat. Da kann man die Sprache noch so gut beherrschen; es wird aber nie so perfektioniert ausgedrückt sein, wie es in der Muttersprache gewesen wäre.

This message was edited 1 time. Last update was at 08/07/2010 16:15:50

Anrheiner

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Beigetreten: 26/06/2010 18:38:22
Beiträge: 52
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Da muss ich einerseits Franzi beipflichten, andererseits noch ergänzen:

Es kommt auf das Fachgebiet an. Es ist sicherlich so, dass in den mathematisch orientierten Wissenschaften, von den Wirtschaftswissenschaften bis hin zu den Naturwissenschaften das Englische auf dem Vormarsch ist. Da stört es m.E. auch nicht, denn da kommt es nicht auf Sprachnuancen an. Problematisch könnte ich es mir etwa im medizinischen Bereich vorstellen - denn, wo es um Menschenleben geht kann Sprache nicht differenziert genug sein.

Auch in der Rechtsvergleichung wird m.W. natürlich mehrsprachig gearbeitet. Wenn man sich mit dem englischen/ französischen Recht befasst, sollte der Originaltext gelesen werden. Im Weiteren, wenn es Studiengänge gibt wie "Master of European Law" etc., dann ist es klar, dass dies ein international orientierter Studiengang ist und dieser sollte dann auch an internationalen Kategorien gemessen werden - sprich zum Teil auf Englisch erfolgen.

Andererseits gibt es sehr viele Studiengänge, insbesondere in den m.E. völlig unterbewerteten Geisteswissenschaften - das was man als klassische Bildung kannte, bevor man amerikanischen Sinn(los)sprüchen folgend Bildung und Ausbildung gleich setzte - ist Deutsch nach wie vor stark. Auch im Ausland. An manchen amerikanischen Universitäten gibt es auch deutschsprachige Seminare insbesondere in Philosophie. Was wunderts, Hegel, der härteste Brocken der Philosophiegeschichte, Kant, Nietzsche, Schopenhauer usw. haben auf Deutsch verfasst und sind sicherlich auf Deutsch am besten zu verstehen.

"Es stimmt: Eine Grille arbeitet nicht. Aber eine Ameise kann auch nicht singen."
Unbekannt
aus: Eduardo Galeano: Die Füße nach Oben
Anrheiner

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Beigetreten: 26/06/2010 18:38:22
Beiträge: 52
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Ach ja,

zu Loui's These ein klares Ja-aber.

Das Problem sehe ich viel mehr im Alltag, insbesondere an den Schnittpunkten von Lehre und Praxis: Dort, wo die Ware an den Mann gebracht werden soll. Bei den Marketing-(Nomen est Omen)Banausen ist Englisch die Sprache der Zeit, je mehr Englisch man in seine Sprache einfließen lässt, desto näher ist man am Puls der Zeit. Dass dies dann bisweilen tragikomische Blüten treibt, wird billigend in Kauf genommen:
- Ich habe ein gutes Feeling / Gefühl
- Ich gehe mal shoppen / Ich mache einen Einkaufsbummel
- F*ck! / wörtl. Übersetzt: verdammt!! (klingt aber im Deutschen wecken seiner phonetischen Ähnlichkeit zu einer sexuellen Betätigung eindeutig aggressiver, unerhörter und damit „cooler“)
Und so würde ich Loui’s These ausbauen: Angeregt durch den kulturellen Einfluss des angelsächsischen Sprachraumes, der sich im wesentlichen auf seinem wirtschaftlichen Einfluss gründet, finden englische bzw. anglizistische Worte dadurch Anklang, dass sie den Anschluss an die große Welt suggerieren, den eigentlich nur jene haben, die ihn Realiter – also in persönlicher und geschäftlicher Interaktion – haben.
Gewissermaßen bilden diese Leute eine Elite – wenn Elite so definiert wird, dass andere Leute zu ihnen aufschauen und von ihnen abschauen –, so dass das von der Werbe – und Medienbranche verbreitete (die sind besonders gedrillt darauf menschliche Bedürfnisse wie Bedeutsamkeit etc. anzusprechen) und vornehmlich in niederen gesellschaftlichen Schichten (die wiederum mit dem Ruf besonderer „Authentizität“ gesegnet sind) rezipierte und praktizierte und erst dadurch gesellschaftsfähig gewordene Mischdeutsch (Denglisch) erst in die Stellung kommen konnte.
Ob es allerdings auch wirklich kulturelle Prägekraft entwickeln kann, würde ich noch nicht absehen.

Was das geringe Selbstbewusstsein anbetrifft, so würde ich das nicht so einfach bejahen. Es gibt vielmehr ein geringes Vertrauen in die Träger und Verfechter der sprachlichen Hochkultur. Diese Stellung haben zu unseligen Zeiten gebildetes Bürgertum und Adel innegehabt und diese Stellung wurde von den 68ern geschleift. In sehr vielen Fällen Gott sei Dank (immerhin herrschte nach 45 in der Universitätslehre erstaunliche Kontinuität; man vergleiche die Positionen von Otmar von Verschuer – Doktorvater von Joseph Mengele und dankbarer Empfänger von Exponaten aus Auschwitz – zur Rassenhygiene vor und nach dem Kriege), aber eben nicht ohne Folgen, denn sie haben es leider nicht vermocht die leere Stelle einzunehmen. Die (Selbst -) Disqualifikation gesellschaftlicher Eliten nicht nur als moralische Instanzen, sondern auch als Träger und Verwalter der Kultur zeitigt ihre Folgen bis heute.

This message was edited 3 times. Last update was at 30/07/2010 11:19:06


"Es stimmt: Eine Grille arbeitet nicht. Aber eine Ameise kann auch nicht singen."
Unbekannt
aus: Eduardo Galeano: Die Füße nach Oben
anitram

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Beigetreten: 03/08/2010 19:57:42
Beiträge: 4
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Es ist eben schlecht, wenn man Kriege anzettelt und sie dann auch noch verliert. Das Commonwealth hat nun mal die ältere Tradition, da ist man schon ein bisschen großzügiger mit der Bewertung der eigentlich gar nicht feinen englischen Art, in der sich die "Krone" dereinst über den Globus verteilt hat. Dabei sah es für uns einmal gar nicht so schlecht aus; die Einführung von "Deutsch" als Amtssprache in den USA ist ja nur knapp verpasst worden. Tatsache ist, dass ein Wissenschaftler, der etwas auf sich hielt, noch in den Dreißigern auf "Deutsch" publizierte. Wer uns das dann vermasselte, ist klar. Wir haben noch für Jahrhunderte den Stempel drauf. Das zieht sich ja eigentlich schon von Anfang an so durch unsere Geschichte....Wir haben erst spät zur "Nation" gefunden und da spielte immer die Sprache eine wichtige Rolle....Abschließend auf die obige Fragestellung eingehend möchte ich bemerken, dass sich die Stellung einer Sprache m. E. aus der Stellung ergibt, die die Sprachgemeinschaft innehat bzw. auf dem Ruf, den sie genießt oder eben nicht. Man liebt uns durchaus, wenn wir das Geldsäckel schön weit öffnen; andererseits sind die Klischees schnell wieder vorgekramt, wenn wir mal ausscheren. Und- auf die Erbfeindschaften gehe ich gar nicht erst ein ......N`est-ce pas ?
straalster

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Beigetreten: 08/08/2010 17:59:05
Beiträge: 58
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Ich würde das gar nicht so eng sehen. Die Erweiterung um Englisch, im akademischen Raum, kann ich nur begrüßen – denn sie macht die Forschung und Lehre internationaler. In großen Unis mit zahlreichen Austausch-Studenten vereinfachen englische Vorlesungen und Seminare das Miteinander – bieten sie doch Raum, um sich in Diskussionen eines vorgegebenen und gemeinsamen Vokabulars zu bedienen.
Auch eine Sprachmüdigkeit kann ich darin nicht erkennen. Das sich-Mitteilen und das Ausdrücken in einer anderen Sprache, können durchaus einige Vorteile haben und sprechen nun wahrlich nicht von Sprachmüdigkeit – werden diese Formen doch vor allem von Sprachbeflissenen verwendet. Zudem liegen die meisten Forschungsergebnisse deutscher Forscher auch in der Muttersprache – für alle der deutschen Sprache Mächtigen – vor.

This message was edited 1 time. Last update was at 08/08/2010 19:56:02

 
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