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Treffpunkt Konjugation

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Index » Sonstiges » "Die Grenzen meiner Sprache sind auch die Grenzen meiner Welt" Ludwig Wittgenstein
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Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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Tolles Zitat: “Die Grenzen meiner Sprache sind auch die Grenzen meiner Welt.”

Das Zitat des Wiener Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) setzt sich mit drei Begriffen und deren wechselseitigen Beziehungen auseinander: Sprache, Grenzen und die Welt.
Um die Beziehungen näher zu erläutern, gilt es zunächst die Bedeutung dieser Wörter zu erklären.
Das Phänomen Sprache dient uns dem Denken, Erfassen und Benennen von Sachverhalten und Beobachtungen der Umwelt, sodass wir mit ihr darüber referieren können. Ein Wort oder ein Begriff an sich besteht immer aus seiner Wortbedeutung und seinem äußerlichen Zeichen (Buchstaben). Da die Sprache ein wesentlicher Bestandteil der Lebenswelt ist, ist es offenbar, dass sie das wichtigste Mittel der Form der Verständigung zwischen Menschen darstellt. Nur durch Sprache kann man mit den anderen Menschen eine tiefe Beziehung entwickeln, indem man miteinander kommuniziert – negativ, z.B. als Streit, oder auch positiv, z.B. durch Lob. Natürlich gibt es auch andere Arten der Kommunikation wie Gestik oder Mimik, aber nur mit der Sprache können wir unsere (innere und äußere) Welt ausdrücken.

Nun sagt ihr mal was dazu. Ich möcht nicht gleich wieder mit der Tür ins Haus fallen und euch in eine Richtung der Interpretation lenken

Ich hab meine feste Meinung - die folgt natürlich noch

Gruß,
Loui


"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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Okay, da es so nicht funktioniert diesen Beitrag aufrecht zu erhalten, gebe ich nun doch mal etwas vor...



Eine Sprache hat naturgemäß Grenzen, nämlich dann, wenn ihr letztlich die Worte fehlen und somit der Gedanke dessen, was ausgedrückt werden soll, beeinträchtigt wird. Oder wenn die Sprache nicht mehr fähig ist, die äußere Welt zu erfassen, um überhaupt in das Bewusstsein eindringen zu können. Veranschaulichen lässt sich dies am Ausdruck von Gefühlen und allem anderen, was mit Wahrnehmung zu tun hat. Es gibt in diesem emotionalen Bereich eine Menge Dinge, für die es kein Wort gibt bzw. für die man viele Worte benötigt. Und selbst kann man nicht sicher sein, dass der Gegenüber wirklich nachvollziehen kann, von was man spricht.
Daher funktionieren Liebeserklärungen ohne Worte besser. In diesen Fällen versagt die Sprache oder zeigt eindeutig ihre Grenzen.
Um jedoch diese Grenze, die der Welt durch die Grenzen der Sprache gezogen wird, zu erfassen, müsste man über beide Grenzen hinwegkönnen. Das aber ist unmöglich, denn sonst wäre diese Grenze keine Grenze.
Doch nicht immer, wenn man keine Worte für etwas findet, stellt dies ein Kommunikationsproblem dar. Vieles lässt sich, wie bereits erwähnt, ohne Worte darstellen, und je besser man sich kennt, desto eher kann man auf Worte verzichten bzw. braucht erst gar nicht nach Worten zu suchen.

This message was edited 1 time. Last update was at 07/06/2010 16:59:24


"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
Sunburn

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Beigetreten: 06/06/2010 23:30:14
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Hallo Loui,

das Zitat im eigentlichen Sinne ist meiner Ansicht nach so eindrucksvoll wie falsch - wenn man es nur auf die "reine" Sprache bezieht: wenn allein meine sprachlichen Ausdrucksformen meine Welt limitieren würden, könnten nonverbale Kommunikationsformen nicht bestehen.
Dass diese aber eine führende Rolle in der Kommunikation einnehmen können, bestätigst Du mit Deinen Beispielen selbst. In der Kommunikationsforschung heißt es "man kann nicht nicht kommunizieren" - und das ist unabhängig von Sprache. Es geht sogar noch weiter: wenn von einer Person gleichzeitig verbale und nonverbale kommunikative Signale ausgehen, die sich widersprechen, glaubt der Adressat eher den nonverbalen Signalen!

Wenn man Wittgensteins Zitat nun aber ausweiten würde und nicht nur die Sprache im engeren Sinne als "Sprache" ansehen würde, sondern das Wort "Sprache" als Ausdruck aller kommunikativen Möglichkeiten ansehen würde, könnte dies eine ganz andere Bedeutung gewinnen. Dann hieße es tatsächlich: "Die Grenzen meiner kommunikativen Ausdruckmöglichkeiten sind die Grenzen meiner Welt"... - und diesem Satz könnte auch ich so zustimmen
Sunburn
^auch ein kommunikatives Ausdrucksmittel... - - übrigens, diese halte ich hier schon für etwas begrenzt
Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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Man kann natürlich auch behaupten, dass die Grenzen nicht durch die Sprache selbst, sondern durch unser Verständnis der Sprache oder durch unsere Unfähigkeit zu artikulieren, gesetzt werden. Und eben so wenig ist die Grenze der Sprache dadurch gegeben, dass man nur eine bestimmte Anzahl von Wörtern und Satzkonstruktionen kennt, während andere vielleicht einen größeren Wortschatz aufweisen und flexibler mit dem Sprachgebrauch umzugehen wissen.
Die Grenzen der Sprache werden demnach durch den Gebrauch der Sprache gezogen und zeigen sich in diesem. Diese Gewissheit eröffnet wiederum die Perspektive, dass man Grenzen überschreiten kann, um neue Eindrücke zu bekommen, indem man sich beispielsweise bewusst mit der eigenen Sprache auseinandersetzt und sich Fachtermini aneignet, die für den gängigen Alltag irrelevant erscheinen. Je mehr man von diesen Wörtern Gebrauch macht, desto markanter und zuverlässiger kann das Phänomen begriffen und beschrieben werden: Den „blauen Fleck“ oder andere Verfärbungen der Haut betitelt man beispielsweise als Hämatom und assoziiert dadurch jegliche Blutansammlung nach einer gewaltsamen Einwirkung auf den menschlichen Organismus.
Das heißt auch, dass dadurch die Grenzen der Welt nicht nur breiter, sondern auch tiefer werden können.
Diese Tiefgründigkeit verspricht zugleich eine intensive Wahrnehmung der äußeren Welt.

"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
Sunburn

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Beigetreten: 06/06/2010 23:30:14
Beiträge: 12
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Hallo Loui,

Du gibst zwar ein imposantes Beispiel der Möglichkeiten Deiner sprachlichen Ausdrucksweise, jedoch bleibst Du nach wie vor bei rein verbalen sprachlichen Mitteln, während ich den Bogen ja bereits wesentlich weiter gespannt hatte.

Die Grenzen, deren ich mir bewusst bin, sind allein durch die intellektuellen Möglichkeiten in der Anwendung kommunikativer Mittel begrenzt. Die unbewusste Anwendung kommunikativer Mittel kennt jedoch keine Begrenzung, ist sie doch Ausdruck ihrer selbst und steht für sich allein. Daher halte ich "meine" Welt für unbegrenzt, so lange ich in irgendeiner Weise introspektionsfähig bin - oder auch nur ein "Selbst-Bewusstsein" besitze.

Das ist allerdings meine philosophische Sicht der Dinge; Wittgenstein hatte hier vermutlich nur im Sinn, der Macht der Sprache Ausdruck zu verleihen... - was ich persönlich aber für zu eng gefasst halte.

Gruß, Sunburn
Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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Joah

Klar, Sprache ist nicht nur das geschriebene oder gesprochene Wort - da kann ich durchaus mitgehen. Allerdings sind wir ja in einem Deutsch-Forum, daher zieh ich es vor lieber intensiv das Wortfeld Sprache in dieser Richtung auseinanderzureißen.

Ich möcht noch zu der Verbindung des letzten Stichworts kommen - die Welt.
Ich denke, ein anderer wichtiger Aspekt ist der Gedanke, dass derjenige, der nicht verschiedene Sprachen spricht, möglicherweise eine beschränkte Weltanschauung hat. Wenn die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt sind, wird das mich daran hindern anderssprachige Menschen richtig zu verstehen. Die Sprache ist also als Schlüssel zur Welt zu verstehen, da sie eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Integration darstellt. Allerdings ist es nunmehr so, dass wenn man lediglich die andere Sprache erlernt ohne das Heimatland zu verlassen, dann entsteht auch hier wieder eine Begrenzung, da alle Phänomene nur durch andere Wörter ersetzt werden. Nur, wenn man versucht andere Kulturen und Denkmuster kennenzulernen, werden diese Grenzen erweitert und der Mensch wird entwicklungsfähig.

"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
Sunburn

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Beigetreten: 06/06/2010 23:30:14
Beiträge: 12
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Hallo,

das finde ich einen guten Gedanken - aber wenn man das SO sieht, wird ja eher umgekehrt ein Schuh draus:
wenn das Erlernen fremder Sprachen im Kontext der Kultur voraussetzt, dass "die Welt" durch Verlassen des Heimatlandes erschlossen wird, darf meine Welt ja nicht begrenzt sein, damit ich in fremde Sprachen (und damit Kulturen) tiefer eindringen kann.

Aber noch einen anderen Aspekt finde ich wichtig: eine Sprache kann ja auch absichtlich als Abgrenzung verstanden und verwendet werden, beispielsweise indem Menschen Informationen vorenthalten werden, die eine bestimmte Sprache nicht verstehen. Ein Beispiel sind berufsspezifische Fachsprachen, die von Nicht-Angehörigen der Berufsgruppe nicht verstanden werden können. Hier wird auch eine gewisse Machtposition des "Kundigen" deutlich, der mit seiner Sprache seine Welt abgrenzt.

Gruß, Sunburn
 
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