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Index » Stil » Wie lang darf ein Satz sein?
Autor Beitrag
Anrheiner

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Beigetreten: 26/06/2010 18:38:22
Beiträge: 52
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"sprachlich sauberer"... mit diesen Worten reagierte mein Prüfer auf einen zugegebenermaßen aus der Emotion heraus geschriebenen und eher rhetorisch gemeinten Passus eines ersten Entwurfs des Themas meiner Magisterabschlussarbeit.

Es geht um den Bonner Philosophen Erich Rothacker, der zu Beginn des 3. Reiches weitgediehene Programme zur Volksbildung vertrat und diese als kurzlebiger Abteilungsleiter unter Goebbels auch umzusetzen versuchte. Neuere Untersuchungen versuchen zu belegen, dass diese Verquickung mit dem Regime keineswegs nur opportunistischer Natur war, sondern unmittelbar mit seinem philosophischen Programm zusammenhängt. Ausgehend von diesen Schriften hätte man in Bezug auf Rothacker eigentlich kaum noch etwas zu behandeln...

Und jetzt die fragwürdige Passage:

"Oder andersherum, müsste Rothacker gerade deshalb Thema sein, als ein Philosoph auf Irrwegen, der sich zum ideologischen Helfer des Jahrhundertverbrechens machte, oder der zumindest seiner Verblendung folgend sich einem verbrecherischen Regime andiente, um nicht nur seine Forschungen gesichert, sein berufliches Fortkommen ermöglicht, seine historische Bedeutung zementiert zu sehen, sondern weil dieses sich als politische Konsequenz seiner philosophischen Ansichten präsentierte. Kurz: Aus Überzeugung."

Ich für meinen Teil habe diese Kritik eigentlich nur auf die Länge diese Satzes bezogen. Es geht mir nicht darum meinen Satz analysiert zu bekommen, vielmehr dient er mir als Anlass und zum Beispiel, um einmal die Frage in die Runde zu stellen, ob jemand eine Regel kennt, die hier zu beachten wäre.

This message was edited 1 time. Last update was at 30/06/2010 10:32:47


"Es stimmt: Eine Grille arbeitet nicht. Aber eine Ameise kann auch nicht singen."
Unbekannt
aus: Eduardo Galeano: Die Füße nach Oben
Loui

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Beigetreten: 04/06/2010 21:27:13
Beiträge: 52
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OKay - ich kenne keine Regel, ich geb es gleich zu und vielleicht rollt jetzt jemand die Augen über meinen Beitrag. ABER schau dir mal den Autor Thomas Mann an - ein Meister der Schachtelsätze. Seine Satzkonstruktionen gehen teilweise über eine 3/4-Seite Taschenbuch-Roman (z.B. Der Zauberberg) und viele Leser beklagen sich immer wieder, man verstehe am Ende nicht mehr worauf sich der Anfang bezieht. Weil man es vergessen hat oder der Satz undurchsichtig erscheint. DAS darf natürlich bei einer Magisterarbeit nicht passieren. Ich glaub, das beste ist, sowas korrekturlesen zu lassen und dann zu fragen, ob der Satz zu lang erscheint. Klar, subjektives Empfinden - aber ich denke, das hilft vielleicht manchmal weiter. Ich hoffe inständig, das es keine Regeln für solche Sätze gibt - das würde mir den Spaß an dieser Sprache nehmen

Gruß,
Loui

"Der Mensch ist Herr der Gegensätze, sie sind durch ihn, und also ist er vornehmer als sie. Vornehmer als der Tod, zu vornehm für diesen – das ist die Freiheit seines Kopfes. Vornehmer als das Leben, zu vornehm für dieses – das ist die Frömmigkeit in seinem Herzen." Thomas Mann "Der Zauberberg"
daamin

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Beigetreten: 30/11/2009 22:50:23
Beiträge: 309
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Hallo Anrheiner,
meines Erachtens ist nicht die Länge des Satzes Anlass für die Bemerkung, sondern die Struktur: Der Satzbau folgt den Gedanken, wie sie gerade kommen und sich entwickeln. Dieser Satz passt in ein anspruchsvolles Gespräch, in dem der Gedankenfluss vertieft werden und beim Gegenüber ankommen soll. Für eine wissenschaftliche Arbeit möchte der Prüfer sicher eine klare Struktur vom Anfang bis zum Ende des langen Satzes sehen, beispielsweise eine klarere Gliederung auch mit anderen Satzzeichen wie Kolon und Gedankenstrich anstelle der reinen Aneinanderreihung mit Kommata. Er möchte aus der Darstellung nicht nur den Gedankenfluss, sondern ein Analyseergebnis intuitiv erkennen.
Es geht hier also meines Erachtens nicht um grammatisch richtig oder falsch, sondern nur um die Frage, in welchem Stil die Magisterarbeit erwartet wird.

LG
daamin
Undine

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Beigetreten: 06/09/2010 11:25:24
Beiträge: 50
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Hallo Anrheiner,

da kann ich Loui nur zustimmen, dass Thomas Mann ein Meister der langen Schachtelsätze war und das ja auch ein typisches Erkennungszeichen seiner Literatur ist. Da man aber selten die Klasse eines Thomas Manns erreicht, werden überlange Sätze häufig angeprangert. Vor allem in wissenschaftlichen Arbeiten soll man sich ja eher prägnant, korrekt und sachgemäß äußern. Man kann zwar deinen Satz inhaltlich gut folgen, andererseits ist er tatsächlich etwas unübersichtlich, besonders, wenn man sich mit der Materie nicht so beschäftigt hat. Der Philosoph Erich Rothacker sagt mir zum Beispiel gar nicht. Trotzdem achtenswert, dass du dich mit dem Thema Drittes Reich und Nazis auseinandergesetzt hast. Ganz ehrlich, bei mir besteht ein gewisser Overkill bei dem Thema. Außerdem sind Profs ja bekanntlich (von Berufs wegen) sehr streng!

Viele Grüße von Undine
Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
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An langen Sätzen ist nichts auszusetzen, wenn sie wohlformuliert und verständlich sind; doch viele Schreiber nutzen Wortlawinen, um ihre Nichtigkeiten darunter zu begraben, oder sie begehen den Irrtum, eine Kunst darin zu sehen, Sätze über mehrere Ebenen zu verschachteln und riesige Gräben zwischen Wörter zu reißen, in die ganze Nebensätze stürzen. All jene, die tatsächlich etwas sagen, die lange Wortzüge zwar auf gerade Schienen setzen wollen und am Ende doch bloß einen Irrgarten erschaffen, können sich an einigen Faustregeln orientieren.

So sollte man nicht zwischen Artikel und Hauptwort viele Wörter klemmen, denn Artikel und Hauptwort gehören zusammen; auch die Vor- und Stammsilbe der trennbaren Zeitwörter gehört zusammen. Schlecht ist es, wenn man unverständliche Sätze baut, nur weil man zusammengehöriges auseinanderreißt, geradezu häßlich und unverzeihlich jedoch, wenn man den Leser in die Irre führt, etwa so: „Sie schlugen Matthias immer wieder und wieder, so wie all die letzten Jahre – und es waren nicht wenige –, die er auf der Schule war, zum Klassensprecher vor.“

Ohnehin kann das Kurzzeitgedächtnis nur wenige Silben behalten, eine recht konstante Anzahl, die einzig bei ungeübten und geübten Lesern voneinander abweicht und etwa zwischen zwölf und fünfzehn Silben liegt. Ist ein Einschub länger, so könnte der Leser genötigt sein, im Satz zurückzuspringen. Diese Faustregel ist zwar wunderbar einfach, weil sie alles auf eine bloße Zahl hinunterbricht, aber ist auch nicht mehr als eine Richtlinie. Es gibt übrigens Quellen, die geben statt zwölf Silben drei Sekunden oder neun Wörter an.

Wo packt man eigentlich die Hauptsache hin, die Aussage eines Satzes? Sie gehört selbstverständlich in einen Hauptsatz und tunlichst nicht, sozusagen als Randbemerkung, in einen Nebensatz. Hauptsachen gehören in Hauptsätze, Nebensachen in Nebensätze, und sinntragende Wörter sind vorne meist besser plaziert als hinten. Eines der zehn Gebote Gottes lautet nicht etwa: „Du sollst nicht Deines nächsten Mann oder Frau begehren“, sondern es lautet: „Du sollst nicht begehren Deines nächsten Mann oder Frau.“ Es geht aber nicht nur darum, das Verb möglichst nach vorne zu ziehen, es reicht, wenn man es nicht mit langen Nebensätzen, so wie diesem etwa, auch wenn er hier keinen tieferen Sinn hat und sein eigentliches Wesen rhetorischer oder geradezu und schlechterdings anti-rhetorischer Natur ist, abtrennt.

Wer lange Sätze schreiben möchte, sollte sie nicht künstlich strecken, jedes Hauptwort mit einem Eigenschaftswort versehen, die Sätze vollstopfen, daß sie nur noch mit Werkzeug auseinanderzunehmen und zu analysieren sind. Und lange Sätze müssen strukturiert werden, nicht nur geistig, sondern auch grammatisch und durch Satzzeichen.

This message was edited 2 times. Last update was at 06/11/2010 21:14:02

Almut

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Beigetreten: 30/12/2010 09:39:52
Beiträge: 88
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Also in einer Vorlesung neulich wurde uns zwar noch gesagt, dass man Sätze durch Relativsätze etc. beliebig verlängern kann, aber ab einer gewissen Länge werden sie einfach immer unverständlicher. Es gibt ja sogar Romane, deren Kapitel jeweils nur aus einem Satz bestehen. Dann wird es jedoch sehr schwierig während des Kapitels eine Pause zu machen und natürlich am Ende noch den Anfang des Satzes zu wissen. Aber es kommt wohl auch auf die Wortstellung an. Bei manchen Wortstellungen fällt es trotz mehrerer Nebensätze leichter den Satz zu verstehen als bei anderen. Also sollte man sich bei einer gewissen Länge vielleicht einfach überlegen, ob man das Ganze nicht in 2 Sätze teilen oder, wenn es schon ein langer Satz sein soll, diesen zumindest einfach ausdrücken kann.
California

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Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02
Beiträge: 100
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Hallo Anrheiner,

gegen lange Sätze ist eigentlich nichts auszusetzen, wenn man weiß, wie; viele Leute haben es einfach nicht "drauf", einen langen Satz auch sinnvoll oder verständlich zu gestalten. Und dann besteht auch die Gefahr, dass - am Ende angelangt - man nicht mehr weiß, wie der Anfang war. Es gibt eigentlich keine Regel, wie ja schon gesagt wurde, dennoch sind in der Regel kurze Sätze in einem Text verständlicher. Manchmal aber - so wie Du in Deinem Beispiel - sind lange Sätze sogar schön, wenn danach etwas folgt, was Du gemacht hast: Du hast nach einem langen Satz etwas Prägnantes folgen lassen, was mir sehr gefällt. Da gibt es einen Überraschungsmoment. Deshalb bin ich der Meinung, dass ein guter literarischer Text beides beinhalten sollte; mal lange, mal kurze Sätze - aber immer vorausgesetzt, dass man es auch versteht, lange Sätze schön und noch verständlich zu gestalten.

Ich schreibe selber sehr viel. Plötzlich wird ein (langer) Satz grün unterstrichen, weil mein Rechtschreibprogramm die Satzlänge beanstandet. Ich verstehe dies aber nicht als Regel, sondern als Empfehlung. Wenn Dein Prof lange Sätze nicht gut findet, hat er entweder ein Kurzzeitgedächtnis, das solchen Sätzen nicht folgen kann , oder er mag sie einfach nicht. Deshalb mein Tipp: Wähle den Mittelweg.

Liebe Grüße
wortgewandt

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Beigetreten: 23/12/2010 00:53:59
Beiträge: 99
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Loui wrote:ABER schau dir mal den Autor Thomas Mann an - ein Meister der Schachtelsätze. Seine Satzkonstruktionen gehen teilweise über eine 3/4-Seite Taschenbuch-Roman (z.B. Der Zauberberg)


Das kann Max Frisch noch toppen: In seinen Romanen habe ich schon Sätze gelesen, die über eine ganze Seite gingen und nur so von Semikolonen wimmelten.

Hm, eine feste Regel über die Länge von Sätzen scheint es meines Wissens nicht zu geben. Wie viel stilistisch noch durchgehen mag, hängt sicherlich auch von der Art des Textes ab. In der Literatur mag es da auch mal etwas "großzügiger" zugehen, je nachdem, was ausgesagt werden und welche Wirkung erzielt werden soll. Wenn es beispielsweise in einem Werk oder einer Passage daraus mehr um das Gesamte, die Atmosphäre und mehr oder weniger fragmentarische Denkansätze geht (wo sich der Leser seine eigenen weiterführenden und vielleicht auch vielschichtigen Gedanken machen soll), ist ein langer Satz eventuell nicht allzu dramatisch. Die Hauptsache und Voraussetzung ist dann, dass das Wesentliche - und auch der Handlungsverlauf, falls vorhanden - rüberkommt. Da macht es auch nicht so viel aus, wenn auf dem Weg durch den Bandwurmsatzdschungel das eine oder andere nebensächliche Detail verloren geht.

Meine persönliche "Toleranzgrenze" hängt auch davon ab, ob das Buch insgesamt gut geschrieben ist und mich sein Inhalt fesselt. Bei Frisch's Büchern war das bei mir damals der Fall. Es gibt aber auch Bücher mit Schachelsätzen, die mich noch zu Tode gelangweilt hätten, wenn ich die Lektüre nicht abgebrochen hätte (ich breche selten Bücher ein für allemal ab, sondern unterbreche sie zunächst nur; aber wenn, dann weiß ich, warum ).

Bei Sachtexten plädiere ich grundsätzlich zu "In der Kürze liegt die Würze". Wenn ich Informationen will, dann will ich nicht in einem ellenlangen Bandwurmsatzdschungel danach suchen müssen. Deshalb würde ich solche Texte auf wenige Nebensätze beschränken. Sonst wird es unverständlich und zeitaufwändig für den am Thema interessierten Leser. Als Richtlinie dient also hier die Verständlichkeit. Im Zweifelsfall liest man sich den geschriebenen Text nach kurzer Zeit noch einmal selbst laut oder auch leise vor. Stolpert man irgendwo, oder gibt es eine leicht verwirrende Textpassage, ist es besser, den Satz in zwei oder mehr Sätze aufzuteilen.

Mit Semikolonen würde ich ohnehin sparsam umgehen. Die meisten könnten m. E. durch einen Punkt ersetzt werden. Eine mögliche Ausnahme wäre, wenn ein Sinnzusammenhang so besser verdeutlicht wird.

This message was edited 3 times. Last update was at 08/04/2011 22:07:03

California

Normal

Beigetreten: 14/02/2011 15:02:02
Beiträge: 100
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Hallo Zusammen,

ich muss Wortgewandt Recht geben. Wer es wirklich versteht, lange Sätze zu schreiben, ohne dass es langweilig wird, der darf das auch. Es gibt in Deutschland keine Regel, wie lang oder wie kurz ein Satz sein sollte. Die meisten allerdings schaffen es nicht, aus langen Sätzen auch interessante und vernünftige Texte zu formulieren. Ich habe ein Beispiel für lange Sätze und einen interessanten Text von Josef Nijari. Er formuliert wunderbare lange Sätze, ohne dass es langweilig wird. Auch der Anfang des Satzes wird nicht vergessen, weil er nämlich literarisch sehr gut schreibt. Bei Sachtexten allerdings geht es nicht um literarische Schönheit, sondern darum, dass der Leser etwas lernt. Ich kenne in dieser Beziehung Lehrbücher, die man eigentlich wegwerfen sollte, weil sie furchtbar geschrieben sind. Da frage ich mich manchmal, ob die Autoren sich nur profilieren anstatt verstanden werden wollen.

Liebe Grüße
Miraculix1967

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Beigetreten: 23/03/2011 08:39:11
Beiträge: 53
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Um ehrlich zu sein, ich muss Deinem Prüfer Recht geben, wenn er von "sprachlich sauberer" spricht. Er hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber gemeint hat er sicherlich folgendes: Er hatte - wie ich übrigens auch - große Schwierigkeiten, a) der Argumentation in Deinem Satz zu folgen, und b) den Sinn des Satzes zu verstehen. Aus Letzterem ergab sich dass er - und auch ich - gezwungen war, diesen Satz mehrmals hintereinander zu lesen, um den Sinn komplett zu erfassen. Das nervt!

Ich gebe Dir mal meinen Vorschlag zur Diskussion, wie ich diesen Satz nach meinem Verständnis aufgedröselt hätte, um ihn dem Prüfer verständlicher zu machen:

"Oder andersherum musste Rothacker gerade deshalb ein Thema sein, weil er ein Philosoph aus Überzeugung war: Er machte sich, weil er einer Verblendung folgte, zum Helfershelfer eines verbrecherischen Regimes. Denn damit sicherte er sich nicht nur sein berufliches Fortkommen. Auch seine Forschungen waren gesichert, und ganz nebenbei fand er seinen Platz in der Geschichte. Auch kausale Gründe gab es: Seine philosophischen Ansichten passten ideal zur politischen Meinung seiner Zeit."

So oder so ähnlich hätte der Text lauten müssen, damit sich Deinem Prof nicht die Haare gesträubt hätten. Zu Deiner Frage, ob es eine Regel dazu gibt, muss ich sagen: Nein, mir fällt keine ein, nur meine eigene Empfehlung: Versuche nicht, tausend Sachverhalte in einen verschachtelten Satz zu quetschen, sondern teile das Ganze besser in mehrere Sätze auf, wie in meinem Beispiel oben. In diesem Sinne liebe Grüße Miraculix1967

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
 
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