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Treffpunkt Konjugation

Das Forum für die deutsche Sprache

Index » Stil » Schachtelsatz des Grauens ...
Autor Beitrag
Tina

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Beigetreten: 14/07/2010 00:31:40
Beiträge: 53
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Liebes Forum,

nachdem ich hier ja in bester Gesellschaft hinsichtlich Sprachempfinden bin, möchte ich Euch den Schachtelsatz des Grauens nicht vorenthalten, bitteschön:

Peter Handke, "Die Wiederholung":
"Im Wald, wo mir die Stellen vertraut waren, fand ich die ersten Pilze des Jahres, zuerst kleine, feste, in dem schottrigen Dobrawa-Boden fast weißfarbene Eierschwämme, dann die mir im Gehen, wo ich, der sonst Farbunsichere, die Farben besser auseinanderhalten konnte, mit der Zeit immer zahlreicher entgegenleuchtenden Steinpilze, jeder für sich ein herzhaftes Gewicht in der Hand, und schließlich am Waldrand, aus dem Gras stehend, der hohe hohle dünne Stiel im Wind wippend, einen einzelnen, weithin sichtbaren Schirmling, auf welchen ich losrannte, als müßte ich der erste bei diesem König sein, und dessen Kappe dann, schildgroß, in der Mitte rundgebeult, über meine beiden Handteller ragend, darauf leichter wog als ein noch so dünn gewalkter Teigfladen."

... Guten Tag wünsche ich Euch

Lieben Gruß,
Tina
AnderAgger

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Beigetreten: 30/07/2010 14:34:14
Beiträge: 43
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Wie furchtbar!

Ich hätte ihm die Pilze mitsamt Kappen um die Ohren geklatscht.
[WWW]
Tina

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Beigetreten: 14/07/2010 00:31:40
Beiträge: 53
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... wie wahr!

Und das wäre noch eine der milden Visionen, die ich hatte als ich das Ungetüm von Satz gelesen habe.

Man(n) kann es auch wirklich übertreiben.

Ich erinnere mich noch gut an eine berufliche Situation, wo eine Kollegin so überfordert war von der Formulierung durch eine Führungskraft, der einen Schachtelsatz gigantischen Ausmaßes von sich gab allein mit dem Ziel die Kollegin komplett aus der Fassung zu bringen. Es gelang leider auch.

Schachtelsätze sind böse!

Soviel also dazu

Einen schachtelsatzfreien Abend wünsche ich Dir noch, liebe AnderAgger

Lieben Gruß,
Tina
Laura

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Beigetreten: 14/10/2011 20:12:49
Beiträge: 106
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Absolut unübersichtlich und einfach nur grausam schwer zu lesen ... solche Bandwurmsätze habe ich vor Ewigkeiten mal (erste paar Semester an der Uni) beim Schreiben von Seminararbeiten produziert - nach wiederholt negativem Feedback von Profs habe ich dann irgendwann gelernt, den Gedankenfluss beim Schreiben soweit zu kontrollieren, dass ich nicht alles gleichzeitig in einen Satz packe *fg* ... jetzt finde ich so einen Schreibstil selbst ganz fürchterlich und unleserlich
Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
Beiträge: 150
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Der Schachtelsatz des Grauens – demnächst in einem Kino in ihrer Nähe…
Ich find diesen Schachtelsatz eigentlich gar nicht so furchtbar. Er wirkt lyrisch und lässt sich daher zumindest für mich relativ einfach lesen. In solchen Texten finde ich Schachtelsätze manchmal sogar recht angenehm. Anders sieht es in Fachliteratur, Aufsätzen und der Alltagssprache aus. Da würden mich Schachtelsätze vermutlich in den Wahnsinn treiben.
@Laura – das Problem hatte ich auch! Meine Sätze wollten kein Ende nehmen und vor allem die englischen Profs haben immer wieder verzweifelt mit dem Kopf geschüttelt und fühlten sich von den Sätzen völlig überfordert. Aber anfangs war eben auch die Versuchung so groß, alles in einen Satz zu packen, um den Faden nicht zu verlieren. ?
bcm1979

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Beigetreten: 14/11/2011 22:25:48
Beiträge: 34
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Zu diesem Thema kann ich mich einfach nicht enthalten; zumal ich selbst damals in der Schulzeit es noch gelernt habe, daß man möglichst viele Informationen, die dem Kontext entsprechen, in einen einzigen Satz verpacken solle.

Heute, da ich mich im Studium befinde, geht der Trend- dummerweise- in die entgegengesetzte Richtung. Nun ist es gefragt, daß wissenschaftliche Texte so gehalten sein sollen, daß jeder Mensch sofort alle Informationen im Satz erfassen können soll. D.h., Sätze sollten maximal aus einem Hauptsatz und zwei bis drei Gliedsätzen bestehen,die ihrerseits möglichst nicht ineinander verschachtelt sein sollen.
Jedoch muß ich bekennen, daß ich mich manchmal ziemlich schwer mit dieser Art der Formulierung tue, zumal ich es ja früher gelernt habe, "Schachtelsätze" problemlos zu lesen bzw. selbst zu verfassen.

Abschließend möchte ich allerdings noch ein Beispiel eines "fiesen" Schachtelsatzes anfügen, der offensichtlich darauf ausgelegt ist, daß ihn niemand wirklich versteht; er stammt aus der Politik und beinhaltet, nebenbei bemerkt, einige wenige Fremdwörter:

"Konsolidierung struktureller Defizite unter Zuhilfenahme einer Reduzierung der monetären Transfers an die privaten Haushalte..." (FDP- Wahlprogramm 1998 zum Thema Sozial- und Finanzpolitik)

Obwohl der Satz an sich kurz und bündig wirkt, bewirken die verwendeten Worte eine Verschachtelung, ohne jemals ein Komma setzen zu müssen.
Viel Spaß beim "Entschlüsseln"...

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Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
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Der Satz selbst sagte ja auch nicht viel: Irgendwelche Mängel sollen gefestigt werden, indem Bürger weniger Geld bekommen.

Unter Kanzleistil findet man bei Wikipedia ein nettes Beispiel:
„Eine Eisenbahn ist ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Elektrizität, tierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon durch die eigene Schwere der Transportgefäße und deren Ladung usf.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßige gewaltige (je nach den Umständen nur bezweckterweise nützliche oder auch Menschenleben vernichtende und menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist.“

This message was edited 1 time. Last update was at 25/11/2011 00:53:54

Gretchen0910

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Beigetreten: 17/11/2011 16:29:32
Beiträge: 150
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Oh, ja. Der Kanzleistil bringt die schönsten Schachtelsätze des Grauens hervor.

Vor kurzem habe ich in der Kanzlei meiner Schwiegermutter die Kanzleigehilfin vertreten und landete durch meine Unkenntnis direkt am ersten Tag im Fettnäpfchen. Ich hatte mich gerade in die Transkriptionssoftware eingearbeitet und tippte den ersten diktierten Brief, stolperte dabei aber immer wieder über einen Satz. Nachdem ich dann einfach das Gehörte abschrieb, brütete ich noch eine Weile darüber – aber so sehr ich mich auch anstrengte, der Satz ergab weder einen Sinn, noch war er grammatikalisch korrekt. Schweren Herzens wies ich meine Schwiegermutter darauf hin, dass dieser Satz grammatikalisch falsch sei und bekam als Antwort: ‚Das macht nichts, so reden wir Anwälte eben.‘ gepaart mit einem Schulterzucken.
bcm1979

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Beigetreten: 14/11/2011 22:25:48
Beiträge: 34
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@ Wortraum:

a) Natürlich hat der Satz nicht viel ausgesagt (was ja bei Politikern bzw. politischen Pamphleten oftmals der Fall ist...); jedoch wollte ich mit dem Veröffentlichen auch nicht zeigen, daß der Satz massig Informationen beinhaltete.
Vielmehr wollte ich, da es in diesem Threat ja um Verschachtelungen ging, aufzeigen, daß es nicht allzu vieler Worte und Infomationen- noch nicht mal vieler Kommata- wie im Ausgangsbeispiel bedarf, um Schachtelsätze zu entwerfen. In meinem Bespiel ist die interne Verschachtelung der, zugegebenermaßen sehr geringen, Informationen mittels der Substantivierung erreicht worden.

Schriebe man ihn in vernünftiges Deutsch und kürzte man nachher alle sich ergebenden (aber unnötigen) Verschachtelungen hinaus, so ergäbe sich einfach:
"Wirtschaftskraft stärken, indem man Sozialleistungen kürzt."

Aber mal ehrlich: Welcher Bürger niedrigen Einkommens würde dann diese Partei gewählt haben bzw. wählen?

b) Zu Deinem Beispiel: Ich habe selten so gelacht; wie kann man denn 113 Wörter darauf aufwenden, eine so selbstverständliche Sache derart verklausuliert zu beschreiben???

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Wortraum

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Beigetreten: 06/11/2010 19:47:25
Beiträge: 425
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Ich wollte ja auch nicht mehr, als zu zeigen, daß in solchen Sätze nicht viel steckt.
bcm1979

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Beigetreten: 14/11/2011 22:25:48
Beiträge: 34
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@ Wortraum:

Damit hätten wir uns ja dann gegenseitig bewiesen, daß es

a) nicht unbedingt vieler Worte bedarf, um einen (wenn man ihn ausformuliert) Schachtelsatz zusammenzubauen und

b) natürlich auch möglich ist, tausende Worte zu finden, diese auszuschmücken, zu verschachteln und in sich selbst zu verschlingen, um in Endeffekt nichts auszusagen.

Ich wollte Dich bzw. Deinen Satz auch keinesfalls kritisieren; ich finde es vielmehr gut, daß wir es in Gemeinschaftsproduktion geschafft haben zu verdeutlichen, daß es unterschiedliche Ausprägungen desselben Phänomens gibt (in diesem speziellen Fall: Phänomen "Schachtelsatz").

Dein überaus lustiges Beispiel war in diesem Fall das eine, das meinige Beispiel das andere Extrem...

Also, bitte nicht sauer sein...

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